Haarspalterei: Schmerzensgeld vom Friseur für schlechten Schnitt – geht das?

Wer kennt ihn nicht? Den Spruch aller Sprüche, den jeder schon einmal gehört hat: Hast Du Deinen Friseur verklagt? Doch ganz so weit hergeholt, scheint der Spruch gar nicht zu sein. Ein Richter des Amtsgericht München hatte nun zu entscheiden, wann jemand wirklich Schadenersatz von seinem Frisör verlangen kann (Urteil d. AG München vom 7.10.11, Az. 173 C 15875/11).

Im Sommer 2010 hatte sich die Klägerin im Salon der Beklagten die Haare schneiden lassen. Einmal färben und schneiden sollte es sein. Aber bitte nur wenig herumschnipseln, keine Haarspalterei – lediglich ein halber Zentimeter sollte es sein.

Die Klägerin schaute der Friseurin munter beim Schneiden zu. Einzuwenden hatte sie zunächst nichts. Nicht einmal föhnen lassen wollte sie sich das Haar.

Zwei Tage später kam allerdings Unmut hoch. Zum Haare raufen. Die Haare seien zu kurz. Durch ihr dünnes Haar seien überall „Löcher“ zu erkennen. Jedermann könne die Kopfhaut sehen. Die Friseurin soll Schmerzensgeld bezahlen.

Weil die Frisörin freiwillig nicht bezahlen wollte, nur weil die Kundin plötzlich Haare auf den Zähnen hatte, zog die unzufriedene Kundin vor Gericht. Der zuständige Richter beim Amtsgericht München wies die Klage allerdings ab – um Haaresbreite sozusagen.

Schmerzensgeldansprüche nach einem Friseurbesuch kämen in Betracht, wenn infolge der Haarbehandlung dauerhafte Schäden am Haar oder der Kopfhaut verursacht wurden. Dies liege hier nicht vor. Die bloße Missachtung eines persönlichen Wunsches einer Kundin, selbst wenn diese mit Verärgerung oder Enttäuschung verbunden sei, genüge für einen Schmerzensgeldanspruch nicht.

Dieser komme allenfalls noch in Betracht, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kundin so beeinträchtigt sei, dass sie durch einen völlig misslungenen Haarschnitt quasi „entstellt“ sei. Dafür sei aber vorliegend ebenfalls nichts ersichtlich.

Das Gericht habe sich durch Inaugenscheinnahme der Kopfhaut der Klägerin ein Bild davon verschaffen können, dass deren Kopfhaut aus jedem Blickwinkel durchscheine und deutlich sichtbar sei. Dieses Durchscheinen resultiere daher aus dem individuellen Haarzustand der Klägerin und nicht aus dem Haarschnitt der Beklagten. Dass die Kopfhaut nach einem Besuch beim Friseur dann noch stärker zu sehen sei, liege in der Natur der Sache. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kundin sei darin nicht zu sehen.

Darüber hinaus habe die Klägerin den gesamten Schneidevorgang auch beobachtet. Da sie keinerlei Einwände vorgebracht habe, habe die Beklagte annehmen müssen, dass die vorgenommene Kürzung sich im Rahmen des Wunsches der Klägerin bewegte. Auf Grund dieses Mitverschuldens der Kundin käme ein Schmerzesgeldanspruch ebenfalls nicht in Betracht.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Klägerin wird wohl kein gutes Haar mehr an der Friseurin lassen.

Haftet der Inhaber eines Internetanschlusses für unerlaubtes Filesharing oder doch nicht?

Die Frage, ob und inwiefern der Inhaber eines Internetanschlusses verpflichtet ist, weitere Nutzer des Anschlusses auf die Rechtswidrigkeit von Filesharing im Internet hinzuweisen und das rechtmäßige Verhalten dieser Nutzer zu überwachen, ist umstritten und wird von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet. Deshalb verletzt es den Beklagten in einem entsprechenden Verfahren in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 I 2 GG, wenn diese Frage zu seinen Lasten entschieden und die Revision dagegen nicht zugelassen wird.

Zum Sachverhalt

Der Beschwerdeführer – ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisierter Polizeibeamter – wurde von Unternehmen der Musikindustrie auf Schadensersatz auf Grund von Filesharing über seinen privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig geworden war, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers über dessen Internetzugang in einer Tauschbörse Musikdateien zum Download angeboten hatte, nahmen die Klägerinnen ihren Schadensersatzanspruch zurück, forderten aber weiterhin Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Das LG Köln verurteilte den Beschwerdeführer antragsgemäß. Dieser hafte für die durch das unerlaubte Filesharing begangene Schutzrechtsverletzung, weil er seinen Internetzugang zur Verfügung gestellt und dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglicht habe. Vor dem Hintergrund seiner besonderen beruflichen Kenntnisse habe für den Beschwerdeführer jedenfalls eine Prüf- und Handlungspflicht bestanden, um der Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung vorzubeugen. Das OLG Köln wies die dagegen eingelegte Berufung im Wesentlichen zurück und begründete seine Entscheidung unter Verweisung auf die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung BGHZ 185, 330 = NJW 2010, 2061 = GRUR 2010, 633 = MMR 2010, 565 damit, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, der diesen einem Dritten zur eigenverantwortlichen Nutzung überlasse, den Dritten darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen verboten sei. Die Revision gegen sein Urteil ließ das OLG nicht zu.

Entscheidung des BVerfG

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zu Grunde.

Verletzung des Rechts auf gesetzlichen Richter

Das Urteil des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 I 2 GG, weil es nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die Revision zum BGH nicht zugelassen wurde, obwohl deren Zulassung im vorliegenden Fall nahe gelegen hätte. Die Revision ist gem. § 543 II 1 ZPO zwingend zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Uneinheitliche OLG-Rechtsprechung legte Zulassung der Revision nahe

Die hier entscheidende Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, wird von den Oberlandesgerichten nicht einheitlich beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder gegebenenfalls zu verhindern, nur besteht, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung seines Anschlusses hat, lässt das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil für das Entstehen einer Instruktions- und Überwachungspflicht grundsätzlich bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten, gleich welchen Alters, genügen. Der BGH hat die Frage, ob und in welchem Umfang Prüfpflichten des Anschlussinhabers bestehen, für die hier relevante Konstellation noch nicht entschieden. Die vom OLG herangezogene „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung beantwortet die Frage nicht; sie betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, inwieweit ein WLAN-Anschluss gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte gesichert werden muss.

Obwohl eine Zulassung der Revision nahe lag, hat das OLG keine nachvollziehbaren Gründe dafür angeführt, warum es die Revision nicht zugelassen hat. Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung erschien aber eine Entscheidung des BGH als Revisionsgericht erforderlich. Die hier klärungsbedürftige Rechtsfrage kann sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts; überdies weicht das angegriffene Urteil entscheidungserheblich von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte ab. (BVerfG, Beschl. v. 21. 3. 2012 – 1 BvR 2365/11)

Fazit: In naher Zukunft dürfte demnach die Frage durch den Bundesgerichtshof geklärt werden, wann und ob ein Anschlussinhaber für Mitbewohner oder Familienangehörige zu haften hat und/oder auch nicht.

Quelle: Eigene mit Pressemitteilung des BVerfG Nr. 22 v. 13. 4. 2012

branchenauskunft-24.com – Neue Abzocke in Sachen Firmeneinträge

Erst kürzlich berichtete ich über die Seite unternehmensdatenbank.info und deren Abzock-Masche. Die Seite branchenauskunft-24.com steht dem in nichts nach. Auch hier wird versucht, Handelnde und Werbetreibende gezielt zu täuschen, um am Ende eine Rechnung von über 2.000 EUR hinterher zu schicken.

Die Masche ist auch hier dieselbe: Geschäftsleute erhalten ein Fax mit der Aufforderung, ihre Firmenangaben zu ergänzen, zu unterzeichnen und das Antwortfax zurückzusenden. In dem Fall an eine Firma in der Türkei (Medya Tanitim Tic LTD, Istanbul). Es sei davor gewarnt, dies auch in jenem Fall zu tun. Am besten man wirft das Telefax einfach unbeachtet in den Papierkorb. Und falls doch unterschrieben wurde, gelten auch hier die gleichen Regeln:

  • der Zahlungsaufforderung widersprechen.
  • Ein möglicher Vertragsabschluss sollte zeitnah widerrufen werden.
  • Hilfsweise sollte man den möglicherweise zustande gekommenen Vertrag anfechten wegen arglistiger Täuschung.
  • Äußerst hilfsweise sollte die Kündigung erklärt werden.
  • sich überlegen, ob man Strafanzeige erstatten will.

OLG Stuttgart: Fernuni Hagen darf Studierenden keine PDF-Auszüge aus Lehrbuch bereitstellen

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 4. April 2012 der Fernuni in Hagen verboten, den Studenten Auszüge aus einem Lehrbuch als PDF auf ihrer Online-Plattform bereitzustellen, sofern es sich um mehr als drei Seiten des Buches handelt (OLG Stuttgart, Urteil v. 4. April 2012 – 4 U 171/11).

Die Richter des OLG Stuttgart bestätigen damit eine vorausgegangene Entscheidung des LG Stuttgart im Wesentlichen. Die Fernuni in Hagen darf demnach zunächst keine digitalen Dateien des betreffenden Lehrbuchs im PDF-Format an die Studieren auf der Online-Lernplattform bereitstellen, sofern es sich um mehr als drei Seiten handelt.

Zwar könnte das Vorgehen der Fernuni nach § 52a Abs. 1 UrhG grundsätzlich zulässig sein, hingegen nicht, wie es die Fernuni Hagen macht, in Form von PDF-Dateien auf Online-Lernplattformen, die sich grundsätzlich auch speichern lassen, so damals schon die Richter des Landgerichts. Die Richter kritisierten, dass es sich um ein Format handeln müsse, dass vergleichbar sei mit einer analogen Nutzung. Nur dann könnte das Bereitstellen wie im vorliegenden Fall vom § 52a Abs. 1 UrhG gedeckt sein. Dies sei derzeit nicht der Fall.

Die derzeitige Handhabe, so die Klägerin, gefährde den Absatz des entsprechenden Buches auf dem Markt.

Das Urteil gibt es hier im Volltext. Die Revision wurde zugelassen.

BFH: Einkünfte eines Fußball-Nationalspielers durch den DFB unterliegen der Gewerbesteuer

Der Bundesfinanzhof hatte im Rahmen eines erst kurz zurückliegenden Urteils über die steuerliche Behandlung von Werbeeinnahmen zu befinden, die ein Fußball-Nationalspieler über den DFB bezieht. Die höchsten Richter haben diese Art von Einnahmen nicht der Einkommen-, sondern der Gewerbesteuerpflicht zugeschlagen, weil sie insofern die Unternehmereigenschaft des betreffenden Fußballspielers angenommen haben. Insofern ist damit abschließend geklärt, dass Einkünfte eines Fußball-Nationalspielers durch den DFB der Gewerbesteuer unterliegen und kein Teil seines Arbeitslohns sind (BFH, Urt. v. 22. 2. 2011 – X R 14/10).

Der Kläger war sowohl Lizenzspieler eines Vereins der Fußball-Bundesliga als auch Mitglied der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der Arbeitsvertrag mit seinem Verein enthielt die Verpflichtung, auf Verlangen des DFB als Nationalspieler tätig zu werden. Daneben verpflichtete der Kläger sich gegenüber dem DFB schriftlich, bei Spielen und Lehrgängen der Nationalmannschaft die vom DFB gestellte Sportkleidung – mit Werbeaufdrucken – zu tragen, sowie an Werbeterminen mit der Nationalmannschaft teilzunehmen. Hierfür erhielt er einen Anteil an den Werbeeinnahmen, die der DFB aus der Vermarktung seiner Nationalmannschaft erzielte.

Der Kläger vertrat die Auffassung, die Werbeeinnahmen seien Teil des über seinen Verein bezogenen Arbeitslohns. Demgegenüber sah das Finanzamt die Einnahmen als gewerblich an. Dies hatte zur Folge, dass neben der Einkommensteuer noch Gewerbesteuer zu entrichten war.

Entscheidung des BFH

Dies hat der BFH nunmehr bestätigt. In steuerrechtlicher Hinsicht unterscheiden sich Gewerbetreibende von Arbeitnehmern dadurch, dass sie mit „Unternehmerinitiative“ und „Unternehmerrisiko“ handeln. Die Unternehmerinitiative des Nationalspielers hat der BFH darin gesehen, dass er hinsichtlich der Werbeleistungen nicht in eine betriebliche Organisation seines Vereins oder des DFB eingegliedert war und in seiner Entscheidung, ob er an den Werbemaßnahmen mitwirken wollte, noch hinreichend frei war. Das Unternehmerrisiko konnte bejaht werden, da einerseits die genaue Höhe der Vergütung ungewiss war und andererseits Ausfallzeiten nicht bezahlt wurden.

Quelle: Eigene mit Pressemitteilung des BFH Nr. 23 v. 11. 4. 2012

KG Berlin: 10.000 Euro Vertragsstrafe können unangemessen hoch sein

Eine Vertragsstrafe, die nach billigem Ermessen vom Unterlassungsgläubiger auf EUR 10.000.- festgesetzt wurde wegen eines nur geringen Verstoßes, kann unangemessen hoch sein. Im vorliegenden Fall setzte das Berliner Kammergericht die Strafe deshalb per Urteil niedriger fest (KG Berlin Urteil v. 27.09.2011 – Az.: 5 U 137/10).

Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, der steht auch regelmäßig dafür ein wenn er gegen die darin enthaltenen Gebote verstößt. Schließlich handelt es sich um einen Vertrag, an den man sich zu halten  hat. Nicht nur deshalb empfiehlt es sich, eine Unterlassungserklärung regelmäßig nach dem Hamburger Brauch zu formulieren. Darin wird nämlich kein konkreter Betrag genannt, der im Falle eines schuldhaften Verstoßes zu bezahlen ist. Vielmehr ist eine solche wie folgt oder ähnlich formuliert:

Unterlassungsschuldner (Name, Adresse)

verpflichtet sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht sowie ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, gleichwohl rechtsverbindlich,

gegenüber

Unterlassungsgläubiger (Name, Adresse)

es in Zukunft bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von dem Unterlassungsgläubiger zu bestimmenden, im Streitfalle durch das zuständige Gericht zu überprüfenden, angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen,

(hier folgt das zu unterlassende Verhalten).

Die Abgabe einer solchen Erklärung hatte nun einem Beklagten in Berlin einiges an Geld erspart. Wegen Veröffentlichung von Kundendaten hatte er gegen eine solche – nach dem Hamburger Brauch formulierte – Unterlassungserklärung verstoßen und sollte zahlen – 10.000 EUR. Zu viel, wie die Richter des Kammergerichts urteilten.  Aus dem Urteil:

Alles in allem handelt es sich also im konkreten Fall bei dem Fehlverhalten der Beklagten eher um eine „Lappalie“, weshalb die Klägerin die Bestimmung der Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 € nicht nach billigem Ermessen getroffen hat und die Bestimmung demzufolge hier durch Urteil zu treffen ist (§ 315 BGB).

Hätte der Beklagte allerdings eine Unterlassungserklärung abgegeben, die von vornherein im Falle eines Verstoßes 10.000 EUR als Strafe vorsieht, wäre er sicher nicht so einfach davon gekommen. Vor allem, wenn der Unterlassungsvertrag zwischen Geschäftsleuten zustande gekommen ist (§ 348 HGB). Dann ist eine Herabsetzung nämlich nur noch unter bestimmten Bedingungen möglich (vgl. BGH, Urt. v. 17.07.2008, I ZR 168/05).

 

 

Wer selbst keine Abmahnung erhalten will, der darf auch keine versenden

Wer kennt sie nicht? Internetseiten, die im Impressum oder an ähnlicher Stelle folgenden Passus enthalten:

“Vor einer Abmahnung nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf. Wir werden einen möglichen Rechtsverstoß umgehend behandeln. Wenn Sie dies nicht tun, verstoßen Sie gegen Ihre eigene Schadensminderungspflicht.”

Grundsätzlich sind solche Satzgefüge, so oder so ähnlich formuliert, juristischer Nonsens und haben keine wirklich Bedeutung, wenn’s um das Abmahnen eines Rechtsverstoßes geht. Denn wer sich gesetzeswidrig verhält, der muss auch mit einer Abmahnung rechnen und im Normalfall auch für die Kosten aufkommen. Es sei denn, der, der abmahnt, verwendet den gleichen Passus auf seiner eigenen Homepage, dann kann der Schuss nach hinten losgehen, wie nun die Richter des OLG Hamm geurteilt haben (OLG Hamm, 31.01.2012 – I-4 U 169/11). Frei nach dem Motto: „Wer selbst ‚Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt‘ wünscht, muss sich bei eigenen Abmahnungen ebenfalls hieran halten.“

Aus dem Urteil:

Die Klägerin verlangt von ihren Mitbewerbern, dass diese sich nach der Entdeckung von Wettbewerbsverstößen zunächst im Rahmen eines Vorabkontakts selber an sie wenden sollen, um eine kostenträchtige anwaltliche Abmahnung zu vermeiden. Sie droht an, sich im Falle einer sofortigen förmlichen Abmahnung durch einen Rechtsanwalt auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den abmahnenden Mitbewerber zu berufen. Auch wenn diese Einschätzung ohne eine gesonderte Vereinbarung der obigen Art rechtlich nicht zutreffend ist und dem abmahnenden Mitbewerber freisteht, sofort abzumahnen und die Kosten dafür erstattet zu verlangen, wird der rechtlich unkundige Mitbewerber in dieser Frage verunsichert und kann sich veranlasst sehen, die Klägerin vor einer anwaltlichen Abmahnung vorsichtshalber selber anzuschreiben. Derjenige, der eine solche Vorgehensweise von den Mitbewerbern unter Androhung einer Sanktion verlangt und diese dadurch zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, muss sich dann auch selbst so verhalten. Er bindet sich mit einer solchen Verhaltensempfehlung in Bezug auf sein eigenes Verhalten in ähnlicher Weise, als wenn er sich vertraglich zu einem solchen Vorabkontakt verpflichtet hätte. Mit diesem zu erwartenden Verhalten setzt sich die Klägerin in rechtlich erheblicher Weise in Widerspruch, wenn sie unstreitig noch wiederholt Mitbewerber wie hier den Beklagten wegen eines bestimmten Anzeigeninhalts sofort durch einen Anwalt abmahnen lässt. Den Mitbewerbern wird die aus Rechtsgründen für erforderlich gehaltene Vergünstigung genommen, kostenneutral auf einen Wettbewerbsverstoß hingewiesen zu werden, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt. Für dieses widersprüchliche Verhalten sind auch keine Gründe ersichtlich. Das Begehren eines Vorabkontakts wird von der Klägerin ausdrücklich nicht auf einfache und unkomplizierte Wettbewerbsverstöße beschränkt, sondern soll für alle Mitbewerber und uneingeschränkt gelten. Der Beklagte konnte sich durchaus davon angesprochen fühlen und im Umkehrschluss auf ein gleichartiges Verhalten der Klägerin vertrauen. Die Klägerin ist im Falle einer solchen Selbstbindung auch nicht daran gehindert, die Berechtigung einer Abmahnung durch einen Anwalt prüfen zu lassen, dann allerdings auf ihre Kosten.

 

Das Recht am eigenen Bild in einer Dokumentation

Im Dokumentarfilm werden regelmäßig tatsächliche Vorgänge sowie real existierende Personen dargestellt. Beispielsweise bei einer Dokumentation über das Leben bekannter Sportler, wie z.B. die Boxprofis Vladimir und Vitali Klitschko oder die exklusive Dokumentation über die Hochzeit von Stars und Sternchen aus dem Showbiz. Ähnliches gilt beispielsweise bei Dokumentationen, bei denen Verbrechen rekonstruiert werden oder in Filmen, in welchen Lebensgeschichten von Personen nachgezeichnet werden. 

Dabei können sich regelmäßig rechtliche Grenzen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Protagonisten ergeben, insbesondere in Gestalt der Intim- oder Privatsphäre. Dabei stellt das Recht am eigenen Bild eine besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts dar. 

Das Recht am eigenen Bild ist in §§ 22 und 23 KUG normiert. 

Im § 22 heißt es wie folgt: 

„Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Die Angehörigen im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten, und wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.“ 

Ferner heißt es in § 23 KUG

„(1.) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 

1.   Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte;

2.   Bilder, auf den die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

3.   Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;

4.   Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

 (2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“ 

Aus § 22 KUG ergibt sich, dass Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht oder verbreitet werden dürfen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass jeder Einzelne selbst darüber bestimmen kann, wie seine Person in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Bildnis alle denkbaren bildlichen Darstellungen von lebenden und toten Personen umfasst, und dass es dabei auf Art, Form und Dauerhaftigkeit nicht ankommt, d.h. dass auch die Abbildung einer Person im Rahmen einer Karikatur ein Bildnis darstellt und mithin der Begriff des Bildnisses weit zu verstehen ist. Ein Bildnis liegt dabei bereits dann vor, wenn der Abgebildete befürchten muss, dass er z.B. durch seine Gesichtszüge, aber auch durch andere Merkmale für Dritte erkennbar ist. 

Demzufolge ist grundsätzlich im Rahmen einer Dokumentation die Einwilligung der Abgebildeten einzuholen. Bei der Einwilligung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch mündlich erteilt werden kann. Sie gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich insbesondere zu Beweiszwecken empfiehlt, die Einwilligung schriftlich einzuholen, da der Filmhersteller die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Umfangs der Rechteeinräumung trifft. Dabei kommt auch die aus dem Urheberrecht stammende Zweckübertragungstheorie (§ 31 Abs. 5 UrhG) zur Anwendung, welche dazu führt, dass im Zweifel, sofern mit dem Protagonisten keine klaren schriftlichen Vereinbarungen getroffen wurden, nur die Rechte an den Filmhersteller übertragen wurden, die zwingenderweise notwendig übertragen werden mussten. Sofern Minderjährige betroffen sind, ist in jedem Fall die Einwilligung der Sorgeberechtigten einzuholen. Dabei ist darauf zu achten, dass, sofern das Sorgerecht wie im Regelfall bei den Eltern liegt, beide Eltern die Einwilligung erteilen. 

Ausnahmsweise kann auf eine Einwilligung verzichtet werden, wenn einer der in § 23 Abs. 1 KUG geregelten Ausnahmetatbestände greift. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn es sich bei der abgebildeten Person um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Zu den Personen der Zeitgeschichte zählen solche, die sich beispielsweise durch ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Leistungen, Taten aus dem Kreis der Mitmenschen hervorheben und mithin in der Öffentlichkeit präsent sind. Dies können beispielsweise bekannte Politiker, Schauspieler, Sportstars, aber auch Täter von Straftaten sein. Für die Praxis des Dokumentarfilmers stellt auch die Ausnahme, dass die Person, welche abgebildet ist, lediglich ein Beiwerk ist, eine erhebliche Rolle. Voraussetzung dafür ist, dass Thema der Abbildung die Landschaft und nicht die Darstellung der Person ist. Die Personendarstellung muss also der Landschaftsdarstellung derart untergeordnet sein, dass sie auch entfallen könnte, ohne dass sich der Gegenstand des Bildes verändert. Darüber hinaus spielt regelmäßig auch die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 3 eine Rolle, nach welcher für Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, keine Einwilligung notwendig ist. Unter den Begriff der Versammlungen, Aufzüge und ähnliche Vorgänge fallen alle Ansammlungen von Menschen, die den kollektiven Willen haben etwas gemeinsam zu tun, also nicht nur Demonstrationen, Menschenansammlungen und Sportveranstaltungen, sondern auch Kongresse, Vereinsveranstaltungen und Hochzeitsgesellschaften . Voraussetzung ist jeweils, dass die Versammlung oder der Aufzug als Vorgang gezeigt wird und dass nicht nur einzelne oder mehrere Individien abgebildet sind. 

Der Dokumentarfilmer sollte sich jedoch nicht in Sicherheit wiegen, falls er feststellen sollte, dass eine der Ausnahmefälle des § 23 Abs. 1 KUG greifen und mithin eine Einwilligung der Abgebildeten oder des Abgebildeten nicht notwendig ist. Denn im Anschluss daran ist zu prüfen, ob durch die Verbreitung ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. In diesen Fällen besteht nach § 23 Abs. 2 KUG keine Befugnis zur Veröffentlichung und es kommt dann wieder der Grundsatz zur Anwendung, nämlich dass zur Veröffentlichung eine Einwilligung des Abgebildeten notwendig ist. Bildnisse aus dem Bereich der Intimsphäre dürfen daher prinzipiell nicht ohne Einwilligung veröffentlicht werden, da dadurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Dies gilt grundsätzlich auch bei Veröffentlichungen aus dem Bereich der Privatsphäre oder entstellenden Aufnahmen.

 Im Ergebnis ist festzustellen, dass es in jedem Fall empfehlenswert ist, mit den beteiligten Protagonisten im Rahmen eines Dokumentarfilms schriftliche Verträge abzuschließen, in denen die Einwilligung der Protagonisten und insbesondere auch der Umfang der Rechteübertragung auf den Filmhersteller klar geregelt ist. Ansonsten muss der Filmhersteller damit rechnen, dass der Abgebildete Unterlassungsansprüche, ggf. auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens sowie Auskunfts- und Schadensersatzansprüche bis hin zur Geldentschädigung geltend macht.

Bildnachweis: Gerd Altmann/pixelio.de 

Rechtsfolgen der Schließung einer Betriebskrankenkasse auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten

Anmerkungen zu vier arbeitsrechtlichen Entscheidungen:

Arbeitsgericht Berlin vom 25.11.2011, Az. 33 Ca 7824/11

Arbeitsgericht Chemnitz vom 28.11.2011, Az. 11 Ca 1506/1

Arbeitsgericht Hamburg vom 12.10.2011, Az. 20 Ca 116/11

Arbeitsgericht Hamburg vom 7.11.2011, Az. 22 Ca 168/11

Nach der Schließung der City BKK zum 30.06.2011 sehen sich die Arbeitsgerichte erstmals mit der Frage konfrontiert, welche Rechtsfolgen die Schließung einer Betriebskrankenkasse auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten hat und wie die entscheidungserheblichen Vorschriften der §§ 155, 164 SGB V zu verstehen und anzuwenden sind.

Wir vertreten die City BKK auf diesem juristischen Neuland bundesweit vor den Arbeitsgerichten in über 500 Verfahren.

Die in den §§ 155 Abs. 4 S. 9, 164 Abs. 4 S. 1 SGB V angeordnete Beendigung von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes, die keines zusätzlichen Willensaktes des Arbeitgebers mehr bedarf, stellt prima vista einen Fremdkörper im deutschen Arbeitsrecht dar. Da die Schließung der City BKK erstmals in Deutschland zu Rechtsstreitigkeiten über den Bestand von Arbeitsverhältnissen geführt hat und insoweit keinerlei einschlägige Rechtssprechung und kaum Kommentarliteratur zu der Thematik existiert, verwundert es wenig, dass die erstinstanzlichen Entscheidungen der Arbeitsgerichte sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung erheblich divergieren, ja sich teilweise diametral entgegenstehen.

In einem  Beitrag von Dr. Thomma werden exemplarisch anhand der vorstehend aufgeführten Entscheidungen einige wesentliche Problempunkte sowie die unterschiedlichen Auffassungen der Gerichte hierzu dargestellt und kommentiert.