Generelle Überwachung des Arbeitsplatzes eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig

 „Big Brother beim Bäcker“ – Bericht über einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz im RTL-Mittagsjournal Punkt12, ausgestrahlt am 13.03.2012, 12.00 Uhr. 

Mit der Begründung, seine Mitarbeiter ständig im Blick haben und überwachen zu müssen, ob sie ordentlich arbeiteten, wurde vom Inhaber in einer Bäckerei eine permanente Videoüberwachung vorgenommen. Angeblich ist eine systematische Überwachung in dieser Branche kein Einzelfall. 

Installierte Videokameras schickten Livebilder zum Büro des Inhabers. Verschwand eine Mitarbeiter/in aus dem Bild, so folgten sofort Kontrollanrufe. Angeblich hatte der Chef bei 14 Filialen keine andere Möglichkeit gehabt, als die Mitarbeiter/innen durchgängig zu überwachen. 

Eine solche Videoüberwachung ist illegal, sagen die Experten. Rechtsanwalt Dr. Holger Thomma aus Ludwigsburg: „Es ist nicht zulässig, Arbeitnehmer und deren Verhaltensweisen und Leistung ganztägig vollständig durch Video zu überwachen. Besteht jedoch ein konkreter Verdachtsfall etwa auf Diebstahl und alle anderen Möglichkeiten zur Aufklärung wurden ausgeschöpft, so kann als ultima ratio durchaus das Mittel der Videoüberwachung in Betracht kommt – so jedenfalls nach der noch geltenden Rechtslage.“ Im konkreten Fall gab es aber keinen konkreten Verdacht, so dass die Kameras zwischenzeitlich entfernt werden mussten.

Was darf die Polizei bei Facebook und Co.?

Was darf die Polizei bei Facebook und Co.? Darüber berichtet heute ausführlich der Stern. Indirekt bezieht sich der Artikel auf unseren Beitrag von vergangenem Monat.

Darin wird nicht nur noch einmal die etwas seltsame Vorgehensweise des Reutlinger Richters Hamann beschrieben, sondern vielmehr auch – im Gegensatz zu vielen weiteren Artikeln zu dem Thema – aufgezeigt, dass Ermittlungsarbeit in sozialen Netzwerken alles andere als neu oder ungewöhnlich ist.

„Es lohnt sich, Geld für einen guten Anwalt auszugeben“

Nachdem es Christoph Schickhardt und Dr. Joachim Rain gelungen ist,  Sven Christophersen für das Achtelfinale der Champions League gegen den HSV frei zu kämpfen, erzielte Christophersen in dem Spiel der Füchse gegen den HSV acht Tore und war damit der beste Werfer.

In Bild.de wurde daher wie folgt berichtet: „Die wichtigste Erkenntnis: Es lohnt sich Geld für einen guten Anwalt auszugeben.“

EHF Court of Appeal spricht Christophersen frei

Handball-Nationalspieler Sven-Sören Christophersen (Füchse Berlin), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Rain, wurde vom EHF Court of Appeal am 16.3.2012 freigesprochen, womit seine für das Champions-League Achtelfinale am 18.3.2012 gegen HSV Hamburg noch in letzter Minute abgewandt werden konnte.

Was war passiert:

Im letzten Gruppenspiel gegen Silkeborg hatte der Spieler Christophersen wenige Sekunden vor Abpfiff beim Stand von 28:27 für die Füchse die Rote Karte gesehen. In seinem Bericht dazu hatte der Schiedsrichter vermerkt, dass es sich seines Erachtens um einen Fall von Regel 8:10d) der Regeln handelte, wonach qualifizierte Regelwidrigkeiten in der letzten Spielminute mit dem Ziel, das Ergebnis über die Zeit zu bringen, schärfer zu bestrafen seien.

Dieser Bewertung folgend hat das EHF Court of Handball den Spieler erstinstanzlich am 12.3.2012 für ein Champions League Spiel gesperrt. Hiergegen wandte sich die Berufung vom 14.3.2012, die die EHF dankenswerter Weise so zügig bearbeitete und entschied, dass nicht bereits Fakten geschaffen waren.

Die Angriffe der Berufung richteten sich im Wesentlichen darauf, dass es sich um eine normale, spielimmanente Verteidigungsaktion handelte, bestenfalls aber ein „Allerweltsfoul“. Daneben fehle es an der Absicht der Spielverzögerung bzw. der Vereitelung einer Torchance (weil sich die Szene im Bereich der Ecke abspielte und ein weiterer Berliner Spieler eingriffsbereit daneben stand), die angewandte Regel sei nach hierzu ergangenen Richtlinien der IHF primär für Fälle wie Verzögerung beim Anwurf u.ä., also das klassische „Zeitschinden“ , geschaffen. Schließlich fehle es an einer Verzögerungsabsicht/besonderen Unsportlichkeit schon deshalb, weil Silkeborg innerhalb der verbleibenden 2-3 Sekunden bestenfalls – wenn überhaupt – noch hätte ausgleichen können. Hierdurch hätte sich jedoch an den Abschlussplatzierungen beider Teams in der Gruppe nichts geändert.

Das EHF Court of Appeal gab der Berufung vorrangig mit der Erwägung statt, dass die Szene tatsächlich eine alltägliche, spielimmanente Situation darstellte, ohne dass ihr irgendeine spezifische Brutalität oder Bösartigkeit innewohnte. Die qualifizierten Anforderungen einer zusätzlichen Sperre seien damit nicht erfüllt, demgegenüber komme es auf die Frage, ob überhaupt ein Foul vorgelegen bzw. die Rote Karte berechtigt gewesen sei, nicht an. Hier gilt ähnlich wie im Fussball der Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Tatsachenentscheidungen, dessen Reichweite aber auf den Feldverweis als solchen beschränkt ist, eine automatische Sperre von einem Spiel auch bei „Fehlentscheidungen“ wie zuletzt im Fall Lukas Podolski diskutiert, gibt es im Handball indessen nicht.

Urheberschutz für Fußball-Spielpläne?

Die umstrittene Frage, ob Spielpläne für Fußballbegegnungen urheberrechtlich geschützt sind, musste nunmehr auch vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 1. März 2012, Aktenzeichen: C-604/10 festgestellt, dass ein urheberrechtlicher Schutz für Spielpläne von Fußballbegegnungen nicht gegeben ist, wenn seine Erstellung durch Regeln oder Zwänge bestimmt wird, der für künstlerische Freiheit keinen Raum lässt.

Die Veranstalter entsprechender Begegnungen werden daher auf andere rechtliche Maßnahmen zurückgreifen müssen, um ihren Arbeitsaufwand und Sachkenntnisse in diesem Zusammenhang zu schützen.

Nur ein Wendler darf sich als „DER Wendler“ bezeichnen

Vergangene Woche hatte das Landgericht Düsseldorf zu entscheiden (LG Düsseldorf, Az.: 2a O 317/11; Urteil vom 14.03.2012), ob sich der bekannte Schlagerstar Michael Wendler auch weiterhin als „Der Wendler“ bezeichnen darf oder nicht. „Darf er“, so die Richter aus Düsseldorf. Außerdem müsse der Kläger – Frank Wendler – seine Marke (Der Wendler) beim Deutschen Patent- und Markenamt löschen lassen.

„Aufgrund der Bekanntheit des Beklagten, Michael Wendler, besteht keine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Sängern, aus der sich eine Verletzung von
Rechten des Klägers an seinem bürgerlichen Namen „Frank Wendler“ ergeben könnte“, so die Richter.

Die Kammer führte weiter aus, dass im Zusammenhang mit dem Namen Wendler
in der Öffentlichkeit überwiegend eine Verbindung zu dem Beklagten Michael Wendler
und nicht zum Kläger hergestellt werde. Somit erfolge durch die Verwendung der
Bezeichnung „Der Wendler“ keine Verwechslung oder Täuschung, die den Kläger
benachteilige.

Auch sieht die Kammer keine Verletzung von Markenrechten des Klägers. Zwar habe
dieser sich den Begriff „Der Wendler“ im Jahre 2008 als sogenannte Wortmarke für
u.a. Ton- und Bildträger sowie Musikdarbietungen schützen lassen
. Der Beklagte
trete aber schon seit dem Jahre 1998 unter seinem Künstlernamen „Michael Wendler“
auf und habe bereits vor der Eintragung der Wortmarke 15 Alben und 24 Singles
– teilweise mit „Gold“ oder „Platin“ prämiert – unter diesem Namen herausgebracht.

Da er darüber hinaus schon vor dem Jahre 2008 diverse Konzerte mit mehreren
Zehntausend Besuchern gegeben habe und über ihn in Presse und TV vielfach berichtet
worden sei, stünden ihm an dem Namen ältere Rechte zu. Vor diesem Hintergrund
könne der Beklagte vom Kläger auch die Löschung der Wortmarke verlangen.
Ob sich der Kläger auch zukünftig auf seinen Tonträgern und bei seinen Auftritten als
„Der Wendler“ bezeichnen darf, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Dem Kläger
steht gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung zum Oberlandesgericht
Düsseldorf zu.

Fazit: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann noch Berufung zum OLG Düsseldorf einlegen, was er allerdings genau bedenken sollte, denn so wirklich lässt sich die Motivation für die Klage und die Argumentationsgrundlage nicht erkennen. Sollten keine neuen stichhaltigen Argumente hinzutreten, würden auch die OLG-Richter das Urteil sicher im Wesentlichen bestätigen.

Quelle: eigene mit Pressemitteilung des LG Düsseldorf v. 14.03.2012

Spitzenstellungsbehauptung: Wer der Größte sein will, der muss es auch beweisen können

Erst vergangene Woche hat der Bundesgerichtshof zu einem Thema entschieden, das immer wieder – vor allem unter Wettbewerbern – für Streit sorgt: Spitzenstellungsbehauptungen. Wer Werbeslogans mit Superlativen einsetzt wie „Wir sind die Größten auf dem Gebiet…“ oder „Vertrauen Sie dem Marktführer in Sachen…“ der muss im Zweifelsfall auch beweisen können, dass er tatsächlich der Größte ist (BGH, Urt. v. 8. 3. 2012 – I ZR 202/10).

In der Werbung, sei es im Fernsehen oder nur im lokalen Blatt, liest man häufig Werbung oder Aussagen mit sogenannten Spitzenstellungsbehauptungen. Diese sind oft leicht dahin gesagt, aber bringen auch regelmäßig gewisse Gefahren mit sich. Denn wer behauptet, der Größte zu sein oder ein Produkt zu vertreiben, das am meisten verkauft wird, der muss das regelmäßig auch beweisen können.

Im nun entschiedenen Fall vom Bundesgerichtshof fand sich auf der Internetseite von Karstadt im August 2007 unter der Rubrik „Das Unternehmen“ die Angabe, Karstadt sei Marktführer im Bereich Sport. Die Klägerin, die deutsche Organisation der international tätigen Intersport-Gruppe, hat diese Angabe als irreführend beanstandet und Karstadt vor dem Landgericht München auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie hat geltend gemacht, die in ihrem Verbund unter dem Internsport-Logo auftretenden Sportfachgeschäfte hätten im Geschäftsjahr 2005 und 2006 einen höheren Jahresumsatz als die Beklagte erzielt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Tatsächlich ist es so, dass jeder, der eine solche Spitzenstellungsbehauptung für sich einnimmt, diese im Streitfall auch zu beweisen hat. Deshalb sei angeraten, nur dann mit Superlativen um sich zu werfen, wenn die Aussage auch tatsächlich zutrifft. Sonst riskiert man schnell eine Abmahnung, die im Wettbewerbsrecht nie ganz billig ist. Dabei sollten vor allem nachprüfbare Superlative (der Größte, Marktführer, meist verkaufte Produkt seiner Klasse, etc…) vermieden werden. Es gibt auch Behauptungen, die nicht ohne weiteres nachprüfbar sind, z.B. das leckerste Schnitzel der Region, die angenehmste Atmosphäre Hamburgs, etc… Ob das Schnitzel nämlich tatsächlich hier oder dort am leckerstes schmeckt, ist Ansichtssache des Kunden und nicht wirklich nachprüfbar. Im Zweifelsfall sollte ein Anwalt hinzugezogen werden vor Veröffentlichung der Werbung.

Rein rechtlich sind wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptungen von §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG erfasst. Demnach darf nicht behauptet werden, was nachweislich der Wahrheit zuwider eine Spitzenstellungsbehauptung einnimmt.

Vor allem dann, wenn die angesprochenen Kunden davon ausgehen werden, dass derjenige, der von sich behauptet, der Größte zu sein, einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und dass dieser Vorsprung Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet (BGH WRP 2004, 1165; BGH GRUR 1981, 910; BGH GRUR 1991, 850).

Die Beweislast für die Richtigkeit der Aussage liegt übrigens bei demjenigen, der mit ihr wirbt (BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt) und nicht bei dem, der sie angreift.

Würden wir also behaupten, dieses Blog ist das meist gelesene von allen Rechts-Blogs, dann wäre das zwar eine wunderschöne Vorstellung, aber eine abmahnfähige Spitzenstellungsbehauptung. Deshalb bleiben wir lieber bei der Wahrheit.

Impressumspflicht für im Ausland ansässige Anbieter

In einem von uns vertretenen Fall, stellte sich gestern vor dem Landgericht Stuttgart die spannende Frage, ob ein im Ausland ansässiger kommerzieller Webseitenbetreiber (hier in den Arabischen Emiraten) verpflichtet ist, ein Impressum gem. § 5 TMG innerhalb der Webseite anzubringen. Vor allem deshalb, weil sich die Seite ausschließlich an den deutschen Markt richtet und auch Nutzungsverträge mit deutschen Mitgliedern abgeschlossen werden. Die Richter der zuständigen 17. Zivilkammer jedenfalls gingen davon aus.

Bereits vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung machten die Richter des LG Stuttgart in einem Hinweisbeschluss (LG Stuttgart, Beschluss v. 13.12.2011, Az.: 17 O 408/11) darauf aufmerksam:

Die Kammer geht von einer Anwendbarkeit der §§ 1, 5 TMG nach Art. 6 Abs. 1 b Rom I-VO aus (vgl. § 1 Abs. 5 TMG, Pfeiffer/weller/Nordmeier in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage, Art. 6 Rom I-VO Rdnr. 13ff., 19; Art. 4 Rom I-VO Rdnr. 22; Martiny in Müncher Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 3 TMG Rdnr. 71).

Tatsächlich war es nicht ohne Weiteres möglich, auch nur ein Urteil zu der Thematik zu finden. So hat zwar vor einiger Zeit das LG Frankfurt entschieden (Urteil vom 28.03.2003, Az. 3-12 O 151/02), dass auch bei im Ausland registrierten Anbietern das Interesse der Verbraucher besteht, leicht erkennbare und unmittelbar erreichbare Informationen zu erlangen, welchem Recht die ausländische Gesellschaft unterliegt und wie die Vertretungsverhältnisse gestaltet sind. Doch auch dieser Fall gestaltete sich anders, da der Anbieter seiner Zeit im Geltungsbereich der EU angesiedelt war.

Ob das Telemediengesetz Anwendung findet oder nicht ist grundsätzlich geregelt in § 3 TMG (Herkunftslandprinzip). Danach können auch nicht in Deutschland ansässige Anbieter dem Telemediengesetz unterliegen, sofern sie im Geltungsbereich der Richtlinien 2000/31/EG oder 89/552/EWG niedergelassen sind. Das wäre aber in unserer Angelegenheit auch nicht der Fall gewesen.

Stellt sich noch die Frage, ob man die Pflicht zum Vorhalten eines Impressums auch auf das UWG stützen könnte – § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Fragen über Fragen, die im Endeffekt dann aber doch niemand beantworten musste, da sich die Parteien gütlich geeinigt haben.

OLG Stuttgart: Keine Einigungsgebühr bei Erledigung der Hauptsache

Das OLG Stuttgart hat in einem von uns vertretenen Fall (OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Februar 2012, Az. 8 W 13/12) noch einmal klar gestellt, dass bei Erledigung der Hauptsache keine Einigungsgebühr fällig wird. Auch keine solche nach Nr. 1003, 1000 VV RVG. Es fehle, so die Richter, an der vertraglichen Vereinbarung.

Aus dem Beschluss:

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, soweit dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist. Die Einigungsgebühr sollte die frühere Vergleichsgebühr des §§ 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Sie sollte jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren (vgl. BGH NJW-RR 2007, 359 = AGS 2007,57 = JurBüro 2007, 73).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen vertraglichen Einigung. Vielmehr haben die Parteien ihre Erledigungserklärungen „ohne Anerkennung einer Rechtspfficht und ohne jegliches Präjudiz“ bzw. „unter Beibehaltung ihrer Rechtsstandpunkte“ abgegeben.

Die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache stellt jedoch eine bloße Prozesshandlung dar. Selbst wenn beide Parteien eine solche Erklärung übereinstimmend abgeben, wird dadurch lediglich die Rechtshängigkeit des bisher streitigen Anspruchs beendet. Damit geben die Parteien allein zu erkennen, dass sie an einer Sachentscheidung durch das Gericht nicht mehr interessiert sind. Nur wenn die Parteien darüber hinaus eine materiell-rechtliche Regelung treffen, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen – gegebenenfalls auch durch schlüssiges Verhalten – zu Stande kommt, fällt eine Einigungsgebühr an (OLG Stuttgart FamRZ 2009, 145; OLG Köln JurBüro 2011, 526; MDR 2006, 539; OLG Nürnberg MDR 2011, 455; Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl. Nr. 1000 VV RVG Rn. 27; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl., VV 1000 Rn. 128, jeweils m. W. N.).

Die Einigungsgebühr war deshalb insgesamt abzusetzen.

Der „Fall Facebook“ – weder neu noch ungewöhnlich: Behörden greifen regelmäßig auf Profil-Inhalte zu

Diese Woche war den Medien gleich mehrfach zu entnehmen, dass ein Reutlinger Amtsrichter Geschichte schreiben könnte, indem er ein Facebook-Profil samt E-Mails und Anhänge beschlagnahmen lassen will bzw. selbiges angeordnet hat. Diese Vorgehensweise ist allerdings weder „neu“ noch „einzigartig“ – sondern vielmehr gängige Ermittlungspraxis.

Der Reutlinger Amtsrichter Hamann soll nach Medienberichten in die Geschichte eingehen.  Und zwar deshalb, weil er von Facebook gerne Inhalte eines bestimmten Profils hätte, um die Aussagen eines Beschuldigten, der auf der Anklagebank sitzt, zu überprüfen. Als „Präzedenzfall“ wird die Vorgehensweise in den Medien sogar bereits tituliert.

Möglicherweise wird Facebook von einem deutschen Richter zum ersten Mal mit solch einem Beschluss konfrontiert – das Beschlagnahmen von Profilinhalten oder Kommunikationsverkehr innerhalb sozialer Netzwerke ist allerdings weder neu noch einmalig oder ungewöhnlich. Uns sind zahlreiche Verfahren aus der Vergangenheit bekannt, wo eben genau jene Rechtspraxis Anwendung finden sollte. Eine unserer Mandantinnen ist ein großes deutsches soziales Netzwerk und wird mit derartigen Beschlüssen regelmäßig konfrontiert. So z.B. Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 10.10.2011, Az. 29 Gs 2147/11; Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 21.11.2011, Az. 27 Gs 2269/11 oder auch Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 01.06.2011, Az. 1125/11 – um nur einige wenige zu nennen. In allen Beschlüssen wurde die Beschlagnahme von Kommunikationsverkehr innerhalb eines Profils angeordnet.

Wie die Vorgehensweise des Reutlinger Richters als „neuartig“ Aufmerksamkeit erzeugen konnte, ist deshalb verwunderlich. Möglicherweise wurde einfach noch nie ausreichend über das Thema gesprochen bzw. informiert.

Das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss v. 16.06.09, Az.: 2 BvR 902/06) sowie der Bundesgerichtshof (vgl. Beschluss v. 24. November 2009, Az.: StB 48/09) haben sich bereits mit der grundsätzlichen Thematik beschäftigt, ob und inwiefern E-Mail-Postfächer beschlagnahmt werden dürfen. Die Entscheidungen dürften in weiten Teilen auch auf soziale Netzwerke übertragbar sein.

Es ist daher zwar stets streng zu prüfen, was herausgegeben werden soll und auf welcher Grundlage das Ganze basiert – das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Vorgehensweise nicht bereits längst bekannt ist und eher die Regel als die Ausnahme.

Dreht es sich nicht um Kommunikationsverkehr bzw. ganze Postfächer, sondern um die Bestandsdaten von Mitgliedern solcher Netzwerke, so beruft sich die ermittelnde Polizei oftmals sogar ohne entsprechenden Beschluss lediglich auf das Telemediengesetz, das in § 14 Abs. 2 TMG vorsieht:

Auf Anordnung der zuständigen Stellen darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.

Derartige Anfragen sind dabei sogar längst an der Tagesordnung, wenngleich die oben zitierte Norm viel Raum für Interpretation lässt.