BGH verbietet Werbung in Autoreply-Mails an Verbraucher

In einem von uns in erster und zweiter Instanz vertretenen Fall, hat der BGH in einem heute veröffentlichten Urteil ein Machtwort gesprochen (VI ZR 134/15): Unerwünschte Werbung – auch in sogenannten Autoreply-Mails – an Verbraucher, muss nicht hingenommen werden und löst Unterlassungs- sowie Schadenersatzansprüche aus. Auch dann, wenn es sich dabei im Kern um Eingangsbestätigungen handelt. Der BGH hat damit das Berufungsurteil des LG Stuttgart aufgehoben und die Meinung des Amtsgerichts Bad Cannstatt vertreten. Interessant dabei: Geklagt hat unser Mandant als Verbraucher, weshalb der BGH nach den Normen des BGB zu prüfen und entscheiden hatte.

Bisher liegt nur der Tenor der Entscheidung vor, dieser lautet:

VI ZR 134/15 – Antwortwerbemails:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 4. Februar 2015 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 25. April 2014 wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors wie folgt lautet:
"1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem der Vorstandsmitglieder der Beklagten, zu unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit dem Kläger ohne dessen Einverständnis per E-Mail unter der Adresse XXX.de Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mail Sendungen vom 10., 11. und 19. Dezember 2013."
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember stellte der Senat nach Einführung in den Sachstand klar, dass E-Mail-Werbung an Verbraucher einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht begründen kann. Jedenfalls dann, wenn ein Verbraucher klar oder indirekt zu verstehen gibt, dass er derartige E-Mails nicht empfangen wolle, hat er Werbung – auch nur als Bestandteil von E-Mails – nicht zu dulden.

Die Beklagte hat demnach auch die vollen Kosten des Verfahrens zu tragen, ebenso auch die außergerichtlichen Kosten für die Abmahnung.

Mit Spannung darf der Volltext der Entscheidung erwartet werden.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wurde im Übrigen per Beschluss, wie seinerzeit auch von uns angeregt auf EUR 1.000 festgesetzt. Das Amstgericht hatte noch 5.000 EUR angenommen.

LG Stuttgart: Werbung in automatischer Antwortmail ist erlaubt – Revision zugelassen

Das LG Stuttgart hat in einem von uns vertretenen Fall (wir vertreten den Kläger/Berufungsbeklagten) entschieden, dass Werbung innerhalb einer automatischen Antwort per E-Mail (Eingangsbestätigung) an einen Verbraucher zulässig ist, weil sie den Empfänger nicht erheblich belästigt (LG Stuttgart, Urteil v. 4. Februar 2015, Az.: 4 S 165/14).

Dies auch, wenn:

  • diesbezüglich keine Einwilligung vorliegt in den Erhalt von Werbung per E-Mail
  • die Werbung vom Umfang her den Hauptteil (der Zeichen nach beurteilt) der E-Mail ausmacht
  • der Empfänger/Verbraucher ausdrücklich der Werbung via E-Mail widersprochen hat
  • die Ausnahmeregelung nach § 7 Abs. 3 UWG nicht greift
  • es sich um ein zusätzliches, nicht angefordertes und nicht notwendiges Schreiben handelt
  • die E-Mails nicht auf die Anfrage des Empfängers eingehen und die Beklagte nicht verpflichtet ist, solche E-Mails zu versenden (wie z.B. bei manchen Transaktionsmails, bei denen man eine E-Mail also ohnehin erhalten müsste)
  • es sich nicht um eine Antwort auf die Anfrage handelt, und eine tatsächliche Antwort zu keiner Zeit jemals erfolgt ist

Das LG Stuttgart hat damit das Urteil der ersten Instanz (AG Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14) aufgehoben und anders entschieden. Allerdings hat die Berufungskammer die Revision zum BGH zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage nicht höchstrichterlich geklärt sei.

Unser Mandant hat bereits Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen lassen. Das Verfahren wird dort unter dem Az.: BGH VI ZR 134/15 geführt.

Das Urteil im Volltext:
LG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2015, Az.: 4 S 165/14
(original Urteil, hier Urteil in Reintext)

Zum Bericht der Vorinstanz:
AG Stuttgart-Bad Cannstatt: Auch Werbung in einer Autoreply-Mail an Privatpersonen ist verboten

UPDATE (16.12.2015): Der BGH hat in der Sache das Urteil des LG Stuttgart mittlerweile vollständig aufgehoben und anderslautend entschieden!

AG Stuttgart-Bad Cannstatt: Auch Werbung in einer Autoreply-Mail an Privatpersonen ist verboten!

In einem aktuellen Verfahren, im Rahmen dessen wir den Kläger vertreten haben, weist das Amtsgericht in Stuttgart-Bad Cannstatt darauf hin, dass Werbung in sogenannten Autoreplys (automatischen Antwort-E-Mails) an Verbraucher verboten ist und diese wie herkömmliche Werbe-E-Mails bzw. Spam zu behandeln sind, sofern kein Einverständnis des Empfängers vorliegt (Urteil d. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 vom 25.04.2014). Dabei spiele es keine Rolle, ob sich werbende Elemente lediglich im Abspann der E-Mail befinden und zuvor nur der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Dies gelte selbst dann, wenn sich der Kläger als erstes an die Beklagte per E-Mail gewandt habe.

Der Fall ist schnell erklärt: Unser Mandant (und späterer Kläger) hat eine Versicherung bei einem großen deutschen Versicherungshaus per Brief gekündigt. Da er keine Antwort auf die Kündigung erhielt, wandte er sich per E-Mail an die spätere Beklagte und bat um eine Kündigungsbestätigung. Darauf reagierte die Beklagte mit einer automatischen Antwort-E-Mail (Autoreply). Diese sah wie folgt aus:

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre XXX

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***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***

Eine Antwort auf die eigentliche Anfrage erhielt unser Mandant nicht. Zunächst mag man der Ansicht folgen, dass es sich hierbei um eine reine Eingangsbestätigung handelt, tatsächlich entpuppt sich die E-Mail allerdings als Mail mit werbendem Charakter und ist damit verboten, sofern der Empfänger einer solchen nicht zugestimmt hat.

Der Kläger wandte sich daraufhin an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens (der unter der gleichen Adresse erreichbar ist) und bat um Erklärung, wodurch sich die Beklagte berechtigt sieht, ihm elektronische Werbung zu übersenden. Die Folge war eine weitere streitgegenständliche Werbe-E-Mail – die gleiche wie oben aufgezeigt. Ein paar Tage später (der Kläger hatte immer noch keine tatsächliche Antwort erhalten) wandte er sich erneut an die Beklagte um bat abermals um die Erledigung der Angelegenheiten (Kündigungsbestätigung sowie Erklärung für den Erhalt von Werbung). Eine Antwort erhielt er immer noch nicht. Stattdessen folgte noch eine weitere E-Mail mit werbendem Charakter. Natürlich wieder dieselbe wie oben.

Der Kläger entschied sich darauf hin, die Versicherung durch uns abmahnen zu lassen. Vorab versandten wir unsere Abmahnung ebenso per E-Mail. Die Folge mag man sich ausdenken: eine weitere Werbe-E-Mail, diesmal direkt an unsere Kanzlei. Kurz vor Fristablauf erklärte die Versicherung dann, dass sie ihr Verhalten als völlig rechtskonform einstufe und sie daher keine Unterlassungserklärung abgeben werde und auch die entstandenen Abmahnkosten nicht tragen werde. Begründet hat das die Beklagte damit, dass ein Eingriff in das allgemeine Persönlihkeitsrecht des Klägers mit den E-Mails nicht vorliege. Außerdem habe es der Kläger selbst in der Hand, ob er sich nochmals per E-Mail an sie wende oder nicht. Er könne damit die Werbemails jederzeit selbst stoppen, da es sich ja „nur“ um Autoreplys handle. Unser Mandant entschied sich dafür, die Sache gerichtlich klären zu lassen.

Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt hat nun das Urteil in der Sache gefällt (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 v. 25.04.2014). Wir stellen die wichtigsten Punkte dazu zusammen:

  1. Eine Privatperson hat regelmäßig Anspruch auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB, da § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB neben dem Eigentum auch alle anderen absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB schützt. In den Schutzbereich fällt damit auch das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die ohne vorherige Aufforderung seitens des E-Mail-Adressaten getätigte Zusendung von E-Mails zu geschäftlichen Zwecken, stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von diesen E-Mails Betroffenen dar. Derartige Kontaktaufnahmen beeinträchtigen nämlich regelmäßig die Lebensführung des Betroffenen. Der Betroffene muss sich mit den Mitteilungen auseinandersetzen. Er muss sie sichten und aussortieren. Für ihn entsteht damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.
  2. Auch elektronische Werbung in Form einer automatisierten Eingangsbestätigung (Autoreply) fällt unter dieses Verbot. Auch dann, wenn sich Werbung lediglich im Abspann der Mail befindet und zuvor der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Ausreichend für einen Verstoß ist bereits der Versuch, ein Produkt oder Leistungen zu bewerben. Auch dann, wenn sich der Kläger damit schlussendlich als erstes an die Beklagte gewandt hat.
  3. Die Zusendung einer Werbemail rechtfertigt regelmäßig die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergibt sich aus der Erstbegehung und aus der Ablehnung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
  4. Allein das Ändern der automatisierten Antwort und das Entfernen der Werbung aus jener reichen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Der Streitwert für das Verfahren (Zusendung von Werbemails an eine Privatperson) wurde mit 5.000 EUR bemessen. Wir selbst hatten nur 1.000 EUR zugrunde gelegt und auch nur daraus die zu erstattenden Kosten berechnet. Unserer Klage wurde voll stattgegeben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beklagte Versicherung hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen und dafür das Landgericht Stuttgart anzurufen.

Den Volltext der Entscheidung gibt es hier zum Download.
Urteil d. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 vom 25.04.2014

UPDATE (18.02.2015): Das Verfahren wurde mittlerweile in zweiter Instanz entschieden. Es läuft derzeit die Revision.