Haftung von YouTube auf Unterlassung

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat eine Entscheidung in einem urheberrechtlichen Verfahren verkündet (Aktenzeichen 5 U 87/12), in dem die Betreiberin des Videoportals „YouTube“ wegen des Vorwurfs von Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wurde. Gegenstand des Verfahrens waren verschiedene Musiktitel, die durch Nutzer von YouTube im Rahmen von Videoclips hochgeladen und damit öffentlich zugänglich gemacht wurden, obwohl sie an den Musiktiteln keine Rechte hatten. Daraufhin haben der Rechteinhaber bzw. die Verwertungsgesellschaft GEMA, YouTube unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen.  

In dem Berufungsverfahren hat der Senat in Bezug auf einzelne der jeweils betroffenen Musiktitel eine Haftung von YouTube aus dem Gesichtspunkt der sogenannten Störerhaftung bejaht. Danach sind die Betreiber von Internetangeboten wie YouTube zwar zunächst nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten und gespeicherten Informationen zu überwachen, die auf eine rechtswidrige Nutzertätigkeit hindeuten. Erfolgt allerdings ein klarer Hinweis auf eine Rechtsverletzung, muss das konkrete Angebot unverzüglich gesperrt werden und Vorsorge getroffen werden, dass es nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt (Quelle: Justizportal Hamburger Justiz vom 01.07.2015).

 

OLG Stuttgart: Betreiberin eines sozialen Netzwerks haftet nicht für Urheberrechtsverletzungen Dritter

In einem weiteren Beschluss, den wir für unsere Mandantin vor dem OLG Stuttgart erfochten haben, bestätigen die Richter erneut, dass die Betreiberin eines sozialen Netzwerks nicht für Urheberrechtsverletzungen Dritter haftet, sofern sie keine Kenntnis davon hat. Auch Auskunft über die Art der Verwendung eines Lichtbilds muss sie nicht leisten. Auf eine Abmahnung hin kann unmittelbar negative Feststellungsklage erhoben werden mit der Konsequenz, dass der Abmahner die gesamten Prozesskosten zu tragen hat (OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.10.2013, Az.: 4 W 78/13).

Erst kürzlich haben wir darüber berichtet, dass das LG Stuttgart entschieden hat, dass unsere Mandantin – Betreiberin eines der größten sozialen Netzwerke in Deutschland – nicht für Urheberrechtsverletzungen Dritter haftet, sofern sie keine Kenntnis davon hat. Das OLG Stuttgart hat diese Auffassung nun im Rahmen eines Beschluss vollumfänglich bestätigt, wie von uns bereits vermutet. Die obersten Stuttgarter Richter betonen dabei auch noch einmal, dass auf eine unberechtigte Abmahnung hin direkt negative Feststellungsklage erhoben werden kann mit der Folge, dass der „Abmahner“ die gesamten Prozesskosten zu tragen hat.

Da das Urteil noch einmal ausführlich die aktuelle Rechtsprechung rund um die Störerhaftung zusammenfasst, ist dieses hier im Volltext zu finden.

OLG Stuttgart: SEDO haftet für Markenverletzung nach den Grundsätzen der Störerhaftung

In einem mit Spannung erwarteten Urteil bestätigte nun das OLG Stuttgart wie angekündigt, dass die Domain Parking- und Domain-Handelfirma SEDO nach den Grundsätzen der Störerhaftung für eine Markenverletzung einer ihrer Kunden einzustehen hat, sofern die Betreiber von SEDO Kenntnis haben von dem Rechtsverstoß. Diese Kenntnis kann sich ergeben, durch eine E-Mail an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse „kontakt@sedo.de“. Die Revision wurde nicht zugelassen (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.04.2012 – Az. 2 U 91/11).

Intensiv beschäftigen sich die Richter des OLG Stuttgart mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Störerhaftung.

Was war passiert? Eine Markeninhaberin beschwerte sich bei SEDO in Form einer E-Mail über eine Markenrechtsverletzung innerhalb der Domain-Parking-Plattform SEDO. Diese E-Mail schickte die Klägerin an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse „kontakt@sedo.de“. SEDO hingegen stellte die Rechtsverletzung nicht ab, sondern verlangte die Vorlage entsprechender Markenurkunden, die man einzig und allein an die dafür vorgesehene E-Mail-Adresse legal@sedo.de senden solle. Die Markeninhaberin kam dem nicht nach und war der Auffassung, bereits alles in der E-Mail gesagt zu haben. Zudem könne SEDO jederzeit selbst in die öffentlichen Markenregister schauen, um zu prüfen, ob tatsächlich Rechte verletzt werden oder nicht.

Die Klägerin hat zu Recht so gehandelt, wie nun die Richter des OLG Stuttgart ausführlich in einem 16-seitigen Urteil bestätigt haben. Sofern SEDO über eine Markenverletzung Bescheid weiß und diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist (hier 2 Wochen) abstellt, haften die Betreiber im Sinne der Störerhaftung.

2009 hatte der BGH noch entschieden, dass SEDO nicht für Rechtsverletzungen seiner Kunden haftet (BGH, Urteil v. 18.11.2010, Az. I ZR 155/09). Allerdings betonten die Richter schon damals, dass dies nur dann gilt, sofern die Betreiber keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Insofern hat sich die Markeninhaberin richtig verhalten und auch die Richter aus Stuttgart bestätigen mit dem Urteil offensichtlich konsequent, was der Bundesgerichtshof an Marschrichtung vorgegeben hat.

Besonders interessant im vorliegenden Fall: Nach Auffassung der Richter konnte SEDO nicht die Vorlage von entsprechenden Markenurkunden verlangen. Vielmehr hätte SEDO selbst in öffentlichen Datenbanken recherchieren können, ob die Marke tatsächlich verletzt wird oder nicht. Im Übrigen sei dies im vorliegenden Fall offensichtlich gewesen. Hätte SEDO Zweifel an dem Vortrag der Klägerin in der E-Mail gehabt, so hätte SEDO diese Zweifel ausdrücklich vortragen müssen. Das OLG Stuttgart bezieht sich hierbei auf die Stiftparfüm-Entscheidung des BGH (Urteil v. 17.08.2011, I ZR 57/09). Im Übrigen dürfe SEDO auch nicht verlangen, dass Verletzte an einem speziellen hierfür eingerichteten Verfahren teilnehmen. Eine E-Mail an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse reiche aus. Zu mehr war die Klägerin nicht gehalten.

Die Revision wurde nicht zugelassen. SEDO bleibt nun nur noch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einzureichen, wovon ausgegangen werden kann, denn das Urteil bringt Konsequenzen mit sich. Betreiber derartiger Plattformen müssen nun jede einzelne E-Mail genau durchsehen, um bewerten zu können, ob darin rechtsverletzende Hinweise zu finden sind. Möglicherweise den Informationen darin auch nachrecherchieren.

Hier gibt es das Urteil im Volltext zum Download:
OLG Stuttgart, Urteil v. 19.04.2012, Az.: 2 U 91/11

OLG Stuttgart: SEDO haftet für Markenverletzung

Vergangenen Juli sorgte ein Urteil des Landgerichts Stuttgart für Aufsehen. Die Richter machten die Betreiber der Plattform Sedo (Domain-Handel und Domain-Parking) erstmals für eine Markenverletzung einer ihrer Kunden – spätestens ab Kenntnis – verantwortlich (wir berichteten). Diese Entscheidung wurde nun offensichtlich vom OLG Stuttgart in einem am vergangenen Donnerstag verkündeten Urteil bestätigt (Urteil d. OLG Stuttgart, Az. 2 U 91/11).

Der Volltext der Entscheidung liegt noch nicht vor, dennoch ist bereits bekannt, dass die obersten Richter aus Stuttgart SEDO offensichtlich für eine Markenverletzung einer ihrer Kunden innerhalb ihrer Domain-Parking-Plattform verantwortlich gemacht haben und die Betreiber zur Zahlung von Schadenersatz in Form von Kosten einer außergerichtlichen Abmahnung verpflichtet haben.

Was war passiert? Eine Markeninhaberin beschwerte sich bei SEDO in Form einer E-Mail über eine Markenrechtsverletzung innerhalb der Domain-Parking-Plattform SEDO. SEDO hingegen stellte die Rechtsverletzung nicht ab, sondern verlangte die Vorlage entsprechender Markenurkunden, die man einzig und allein an die dafür vorgesehene E-Mail-Adresse legal@sedo.de senden solle. Die Markeninhaberin kam dem nicht nach und war der Auffassung, bereits alles in der E-Mail gesagt zu haben. Zudem könne SEDO jederzeit selbst in die öffentlichen Markenregister schauen, um zu prüfen, ob tatsächlich Rechte verletzt werden.

Zu Recht, wie nun die Richter des OLG Stuttgart offensichtlich bestätigt haben. Sofern SEDO über eine Markenverletzung Bescheid weiß und diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist abstellt, haften die Betreiber im Sinne der Störerhaftung. Dieses Urteil wird wohl für ähnliches Aufsehen sorgen wie das erstinstanzliche. Für SEDO und weitere Betreiber bedeutet das immerhin, dass sie jede einzelne eingehende E-Mail an die Zentrale zu prüfen haben, ob darin möglicherweise rechteverletzende Hinweise zu finden sind.

2009 hatte der BGH noch entschieden, dass SEDO nicht für Rechtsverletzungen seiner Kunden haftet (BGH, Urteil v. 18.11.2010, Az. I ZR 155/09). Allerdings betonten die Richter schon damals, dass dies nur gilt, sofern die Betreiber keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Insofern hat sich die Markeninhaberin richtig verhalten und auch die Richter aus Stuttgart bestätigen mit dem Urteil offensichtlich konsequent, was der Bundesgerichtshof an Marschrichtung vorgegeben hat.

Es ist noch nicht bekannt, ob die Revision zugelassen wurde. Auch darf man auf die Urteilsbegründung gespannt sein. Sobald der Volltext vorliegt, werden wir das Urteil an dieser Stelle ausführlich besprechen.

UPDATE: Mittlerweile liegt der Volltext vor, den wir hier besprochen haben

BGH zu den Anforderungen an einen haftungsbegründenden Ersthinweis

Weist ein Rechteinhaber einen Betreiber eines Onlineportals auf eine konkrete Verletzung seiner Rechte durch einen Dritten hin, trifft den Betreiber als mittelbaren Störer die mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Der BGH hat sich nun jüngst auch dazu geäußert, wie konkret der Hinweis sein muss und welche Anforderungen an solch einen haftungsbegründenden Ersthinweis (haftungsbegründende Erstbabmahnung) zu stellen sind (BGH, 17.08.2011 – I ZR 57/09).

Das Problem ist bekannt: Rechteinhaber können Diensteanbieter zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in der Regel nicht direkt angehen, da der Diensteanbieter die Rechtsverletzung nicht selbst begangen hat. Zudem haftet jener weder als Täter / Teilnehmer noch als Störer. Anders verhält es sich, wenn der Anbieter über den Rechtsverstoß in Kenntnis gesetzt wird mittels eines haftungsbegründenden Ersthinweises. Ab dem Zeitpunkt der positiven Kenntnis, kann der Anbieter als Störer in die Haftung genommen werden. Das LG Stuttgart entschied erst kürzlich dazu in einem Verfahren um die Domain-Parking-Börse Sedo (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, Az. 17 O 73/11).

Dies setzt voraus, dass der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Diensteanbieter des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – feststellen kann. Das Ausmaß des vom Betreiber zu verlangenden Prüfungsaufwands hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab.

Solche Ersthinweise sind in der Regel nicht erstattungsfähig. Das heißt, dass Anwaltsgebühren, die einem Rechteinhaber für die Inkenntnissetzung entstehen, nicht zurückverlangt werden können. Erst wenn der Empfänger nicht reagiert und die Störung auch nicht abstellt, macht sich ein Betreiber eines Onlineportals schadenersatzpflichtig hinsichtlich der Abmahngebühren. Schon deshalb dürfen die Voraussetzungen für solch ein Hinweisschreiben m.E. nicht zu hoch angesiedelt werden.

Der BGH hat sich nun dazu geäußert. Und als Fazit ist festzuhalten:

  1. Wird ein Diensteanbieter auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen, so hat er danach zu schauen, dass solche Verletzungen in der Zukunft unterbleiben.
  2. Der Hinweis muss konkret sein. Der Adressat muss den Rechtsverstoß unschwer erkennen können.
  3. Ein Rechtenachweis (hier Markenurkunde) ist regelmäßig nicht vorzulegen, es sei denn der Diensteanbieter äußert konkrete und berechtigte Zweifel an der Existenz des Rechts.

BGH zur Haftung des Admin-C

Mit Spannung wird seit langem die Entscheidung des BGH zur Haftung des Admin-C erwartet (I ZR 150/09). Weniger spannend wurde heute nun in einer Pressemitteilung das Ergebnis veröffentlicht. Das erwartete Resultat: „Ein Anspruch gegenüber dem Admin-C kann sich aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergeben“. Es kommt also demnach darauf an, ob der Admin-C von einer Verletzung wusste oder diese hätte erkennen müssen. 

So heißt es in der Pressemitteilung zum Urteil (Urteil v. 9. November 2011 – I ZR 150/09 – Basler Haarkosmetik):

Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten hängt davon ab, ob der Klägerin im Zeitpunkt der Abmahnung ein Anspruch auf Löschung des Domainnamens nicht nur gegen den Domaininhaber, sondern auch gegen den Beklagten als Admin-C zustand. Das Oberlandesgericht hatte diese Frage verneint. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Ein Anspruch gegenüber dem Admin-C kann sich aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergeben. Die dafür erforderliche Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten ergibt sich allerdings noch nicht aus der Stellung des Beklagten als Admin-C an sich. Denn dessen Funktions- und Aufgabenbereich bestimmt sich allein nach dem zwischen der DENIC und dem Domaininhaber abgeschlossenen Domainvertrag, wonach sich der Aufgabenbereich des Admin-C auf die Erleichterung der administrativen Durchführung des Domainvertrages beschränkt. Unter bestimmten Umständen kann den Admin-C aber – so der Bundesgerichtshof – eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich des Domainnamens treffen, dessen Registrierung er durch seine Bereitschaft, als Admin-C zu wirken, ermöglicht. Im Streitfall hatte sich der Beklagte gegenüber der in Großbritannien ansässigen Inhaberin des Domainnamens generell bereit erklärt, für alle von ihr registrierten Domainnamen als Admin-C zur Verfügung zu stehen. Ferner hatte die Klägerin vorgetragen, dass die britische Gesellschaft in einem automatisierten Verfahren freiwerdende Domainnamen ermittelt und automatisch registrieren lässt, so dass auf der Ebene des Anmelders und Inhabers des Domainnamens keinerlei Prüfung stattfindet, ob die angemeldeten Domainnamen Rechte Dritter verletzen könnten. Bei dieser Verfahrensweise besteht im Hinblick darauf, dass auch bei der DENIC eine solche Prüfung nicht stattfindet, eine erhöhte Gefahr, dass für den Domaininhaber rechtsverletzende Domainnamen registriert werden. Unter diesen Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof eine Pflicht des Admin-C bejaht, von sich aus zu überprüfen, ob die automatisiert registrierten Domainnamen Rechte Dritter verletzen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das nun noch klären muss, ob die von der Klägerin vorgetragenen besonderen Umstände vorliegen und der Beklagte davon Kenntnis hatte oder haben musste.

(Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09 – Basler Haarkosmetik, zuvor LG Stuttgart – Urteil vom 27. Januar 2009 – 41 O 127/08  und OLG Stuttgart – Urteil vom 24. September 2009 – 2 U 16/09).

Während der BGH hier in einem markenrechtlichen Verfahren zu entscheiden hatte, ist die Entscheidung ohne Weiteres auch auf das Wettbewerbsrecht übertragbar, wenngleich hier eher eine Haftung des Admin-C als Täter für die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 139/08).

Hotelbewertungen im Internet: Wer stört hier eigentlich?

Ganz aktuell hat das KG Berlin entschieden (Beschluss vom 15. Juli 2011 · 5 U 193/10), dass es eine Hotelbewertungsplattform nicht zu unterlassen hat, bestimmte Äußerungen weiterhin über ihr Portal zu verbreiten. Die Rechtsfragen sind im Gegensatz zu den derzeitigen Medienberichten aber gänzlich andere. Es geht nicht darum, ob die Tatsachen, die verbreitet werden, richtig oder falsch sind und ob das erlaubt ist, sondern es geht um die juristische Beurteilung, ob der Diensteanbieter (hier die Internetseite) für die Äußerungen haftet. Und das tut er nach einhelliger und ständiger Rechtsprechung weder als Täter, Teilnehmer noch als Störer. Deshalb ist es zunächst uninteressant, ob es sich um falsche Tatsachenbehauptungen handelt. Das Kammergericht schloss sich insofern nur der einhelligen und obergerichtlichen Rechtsprechung an. Ein unspektakulärer Beschluss mit viel Medienrummel.

Eigentlich ist der Inhalt des Beschlusses des Kammergerichts (Beschluss vom 15. Juli 2011 · 5 U 193/10) unspektakulär. Denn er bestätigt nur ein weiteres Mal die einhellige Rechtsprechung zur Störerhaftung. Entgegen der aktuellen Mediendiskussionen und Berichterstattungen geht es nämlich nicht darum, ob eine Bewertungsplattform für Hotels oder andere Dienstleistungen falsche Tatsachenbehauptungen verbreiten darf. Denn das darf sicherlich niemand so einfach. Zumindest nicht mutwillig oder wenn er davon Kenntnis hat. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob die Plattform für Bewertungen ihrer Kunden haftet und zwar ohne Kenntnis von solchen Einträgen zu haben. Und das tut sie freilich nicht. Das Kammergericht schließt sich insofern nur der einheitlichen Rechtsprechung zur Störerhaftung an (vgl. BGH zuletzt in 1 ZR 304/01, I ZR 35/04, 1 ZR 121/08 oder I ZR 155/09).

Die Betreiber haften nicht als Täter oder Teilnehmer

Die Plattformbetreiber einer derartigen Hotelbewertungsseite haften weder als Täter noch als Teilnehmer, weil sie keine Kenntnis von der Rechtsverletzung hatten. Sie verletzen nicht selbst dadurch, dass sie die Plattform bereitstellen irgendwelche Rechte des klagenden Hotels bzw. deren Betreiber. Denn die Plattform hat die inkriminierenden Äußerungen nicht selbst getätigt und auch nicht aufgestellt.

Zudem haften die Betreiber auch nicht als Gehilfen. Denn das würde bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraussetzen, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung I, m.w.N.; BGH GRUR 2007, 708 – Internetversteigerung II). Die Einträge in dem hiesigen Verfahren wurden automatisiert verarbeitet. Demnach scheidet eine Haftung als Gehilfe ebenso aus.

Die Betreiber haften auch nicht als Störer, denn sie hatten keine Prüfpflichten verletzt

Der BGH bestätigt laufend die Grundsätze der Störerhaftung (vgl. BGH zuletzt in 1 ZR 304/01, I ZR 35/04, 1 ZR 121/08 oder I ZR 155/09):

„Als Störer haftet grundsätzlich derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt.“

Selbige Haftung ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen. Die Störerhaftung darf nicht über Gebühr hinaus auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben. Deshalb setzt die Störerhaftung voraus, dass Prüfpflichten verletzt wurden. Der Umfang der Prüfpflicht bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH GRUR 1997, 313; GRUR 1999, 418; BGH GRUR 2001, 1038; BGH GRUR 2004, 860; BGH GRUR 2007,708).

Aufgrund der Vielzahl der Beiträge, die jeden Tag in dem Bewertungsportal auflaufen, war es den Betreibern eben gerade nicht möglich, alle Beiträge vorab zu überprüfen und auch nicht zumutbar, denn das Auferlegen solcher Pflichten würden das unstreitig legale Geschäftsmodell gefährden oder die Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (BGH, Urteil 12.07.2007, I ZR 18/04).

Die Betreiber haben die streitgegenständliche Bewertung nach Kenntnis sofort gesperrt. Insofern sind sie allen Pflichten vollumfänglich nachgekommen. Jegliche Haftung scheidet demnach aus. Weitere Ansprüche gegenüber dem Dienstanbieter gibt es nicht.

Anders hätte der Fall ausgesehen, wenn die Betreiber nach positiver Kenntnis nicht entsprechend reagiert hätten. Dann wäre tatsächlich zu klären gewesen, ob es sich um falsche Tatsachenbehauptungen handelt. Die Plattformbetreiber hätten dann unter Umständen auch gehaftet dafür. Jüngst hatte das LG Stuttgart genau deshalb die Domain-Parking-Plattform SEDO in die Haftung genommen (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, 17 O 73/11).

Bildnachweis: Rainer Sturm  / pixelio.de

LG Stuttgart: Haftet Sedo nach Hinweis-Email?

Jüngst hatte der Bundesgerichtshof geurteilt (BGH, Urteil v. 18.11.2010, Az. I ZR 155/09), dass Sedo nur dann für Markenverletzungen ihrer Kunden im Rahmen ihres Domain-Parking-Programms haftet, solange die Betreiber keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Das LG Stuttgart hat dies nun mit einem umgekehrten Urteil bestätigt und Sedo in die Haftung genommen. Denn im vorliegenden Fall schickte der Markeninhaber eine Hinweis-Email an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, 17 O 73/11). Nach Ansicht der zuständigen Kammer reiche das aus, um eine Störerhaftung zu bejahen.

Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart verletzt Sedo zumutbare Prüfpflichten, wenn nach Erlangung positiver Kenntnis bei einer Rechtsverletzung nicht binnen zwei Wochen für Abhilfe gesorgt wird und eine Löschung der Domain erfolgt.

Die Klägerin stellte eine sogenannte Tippfehler-Domain auf der Domain-Parking-Plattform Sedo fest. Sie griff allerdings nicht sofort zur Abmahnung, sondern schickte der Beklagten eine E-Mail an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse. Hierin machte sie Sedo auf die Markenverletzung aufmerksam.

Sedo seinerseits forderte Nachweise an bezüglich der Markeninhaberschaft und verwies auf die Rechtsabteilung sowie eine gesonderte E-Mail-Adresse. Außerdem biete Sedo ein entsprechendes Rights-Protect-Management an, mit dem solche Verstöße einfach gemeldet werden könnten.

Dieser Ansicht wollte das Landgericht Stuttgart in einem aktuellen Urteil nicht folgen. Weder müsse jemand an einem speziell eingerichteten Verfahren teilnehmen, um einen Verstoß zu melden, noch sei es erforderlich, dass die Klägerin Nachweise über ihre Marke vorlegen muss, da diese kurzweilig im Internet nachzurecherchieren seien. Obendrein reiche es aus, wenn einer Abmahnung eine Hinweis-Email, die den Verstoß konkret bezeichnet, vorausgeht wie im gegebenen Fall.

Das LG Stuttgart führte dabei insbesondere zur Störerhaftung aus:

Wie dargelegt, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Da die Beklagte eine allgemeine Prüfpflicht nicht trifft, kommt es darauf an, wann die Beklagte von einer etwaigen Markenverletzung eines ihrer Kunden Kenntnis erlangte, die eine Prüfungs- und ggf. Reaktionspflicht auslöste.

Die insofern erforderliche Kenntnis wurde durch Übersendung der E-Mail vom 12.04.2010 geschaffen. Nach Auffassung der Kammer waren die Empfänger der Mail Angestellte bzw. Beauftragte im Sinne dieser Rechtsprechung (…) Die Beklagte war insofern verpflichtet, ihren Betrieb dergestalt zu strukturieren, dass unter dieser Mail-Adresse eingehende Mails ggf. selbstständig an die Rechtsabteilung weitergeleitet werden.

Die Kammer verpflichtete Sedo für die Abmahnkosten einzustehen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es ist zu erwarten, dass Sedo alle Rechtsmittel ausschöpfen wird. Anderenfalls müsste die Domain-Parking-Plattform künftig sehr genau jede einzelne eingehende E-Mail auf mögliche Kenntniserlangung überprüfen und das extra dafür eingerichtete System wäre hinfällig.

Update: Sedo hat mittlerweile Berufung eingelegt gegen die Entscheidung des LG Stuttgart, weshalb sich nun das OLG Stuttgart der Sache anzunehmen hat. (08.08.2011)

Update 2 (23.04.2012): Mittlerweile hat das OLG Stuttgart entschieden und die Sache im Wesentlichen bestätigt.

Zum Urteil im Volltext…