Diese Woche war den Medien gleich mehrfach zu entnehmen, dass ein Reutlinger Amtsrichter Geschichte schreiben könnte, indem er ein Facebook-Profil samt E-Mails und Anhänge beschlagnahmen lassen will bzw. selbiges angeordnet hat. Diese Vorgehensweise ist allerdings weder „neu“ noch „einzigartig“ – sondern vielmehr gängige Ermittlungspraxis.
Der Reutlinger Amtsrichter Hamann soll nach Medienberichten in die Geschichte eingehen. Und zwar deshalb, weil er von Facebook gerne Inhalte eines bestimmten Profils hätte, um die Aussagen eines Beschuldigten, der auf der Anklagebank sitzt, zu überprüfen. Als „Präzedenzfall“ wird die Vorgehensweise in den Medien sogar bereits tituliert.
Möglicherweise wird Facebook von einem deutschen Richter zum ersten Mal mit solch einem Beschluss konfrontiert – das Beschlagnahmen von Profilinhalten oder Kommunikationsverkehr innerhalb sozialer Netzwerke ist allerdings weder neu noch einmalig oder ungewöhnlich. Uns sind zahlreiche Verfahren aus der Vergangenheit bekannt, wo eben genau jene Rechtspraxis Anwendung finden sollte. Eine unserer Mandantinnen ist ein großes deutsches soziales Netzwerk und wird mit derartigen Beschlüssen regelmäßig konfrontiert. So z.B. Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 10.10.2011, Az. 29 Gs 2147/11; Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 21.11.2011, Az. 27 Gs 2269/11 oder auch Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 01.06.2011, Az. 1125/11 – um nur einige wenige zu nennen. In allen Beschlüssen wurde die Beschlagnahme von Kommunikationsverkehr innerhalb eines Profils angeordnet.
Wie die Vorgehensweise des Reutlinger Richters als „neuartig“ Aufmerksamkeit erzeugen konnte, ist deshalb verwunderlich. Möglicherweise wurde einfach noch nie ausreichend über das Thema gesprochen bzw. informiert.
Das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss v. 16.06.09, Az.: 2 BvR 902/06) sowie der Bundesgerichtshof (vgl. Beschluss v. 24. November 2009, Az.: StB 48/09) haben sich bereits mit der grundsätzlichen Thematik beschäftigt, ob und inwiefern E-Mail-Postfächer beschlagnahmt werden dürfen. Die Entscheidungen dürften in weiten Teilen auch auf soziale Netzwerke übertragbar sein.
Es ist daher zwar stets streng zu prüfen, was herausgegeben werden soll und auf welcher Grundlage das Ganze basiert – das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Vorgehensweise nicht bereits längst bekannt ist und eher die Regel als die Ausnahme.
Dreht es sich nicht um Kommunikationsverkehr bzw. ganze Postfächer, sondern um die Bestandsdaten von Mitgliedern solcher Netzwerke, so beruft sich die ermittelnde Polizei oftmals sogar ohne entsprechenden Beschluss lediglich auf das Telemediengesetz, das in § 14 Abs. 2 TMG vorsieht:
Auf Anordnung der zuständigen Stellen darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
Derartige Anfragen sind dabei sogar längst an der Tagesordnung, wenngleich die oben zitierte Norm viel Raum für Interpretation lässt.