In einem aktuellen Verfahren, im Rahmen dessen wir den Kläger vertreten haben, weist das Amtsgericht in Stuttgart-Bad Cannstatt darauf hin, dass Werbung in sogenannten Autoreplys (automatischen Antwort-E-Mails) an Verbraucher verboten ist und diese wie herkömmliche Werbe-E-Mails bzw. Spam zu behandeln sind, sofern kein Einverständnis des Empfängers vorliegt (Urteil d. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 vom 25.04.2014). Dabei spiele es keine Rolle, ob sich werbende Elemente lediglich im Abspann der E-Mail befinden und zuvor nur der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Dies gelte selbst dann, wenn sich der Kläger als erstes an die Beklagte per E-Mail gewandt habe.
Der Fall ist schnell erklärt: Unser Mandant (und späterer Kläger) hat eine Versicherung bei einem großen deutschen Versicherungshaus per Brief gekündigt. Da er keine Antwort auf die Kündigung erhielt, wandte er sich per E-Mail an die spätere Beklagte und bat um eine Kündigungsbestätigung. Darauf reagierte die Beklagte mit einer automatischen Antwort-E-Mail (Autoreply). Diese sah wie folgt aus:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre XXX
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***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***
Eine Antwort auf die eigentliche Anfrage erhielt unser Mandant nicht. Zunächst mag man der Ansicht folgen, dass es sich hierbei um eine reine Eingangsbestätigung handelt, tatsächlich entpuppt sich die E-Mail allerdings als Mail mit werbendem Charakter und ist damit verboten, sofern der Empfänger einer solchen nicht zugestimmt hat.
Der Kläger wandte sich daraufhin an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens (der unter der gleichen Adresse erreichbar ist) und bat um Erklärung, wodurch sich die Beklagte berechtigt sieht, ihm elektronische Werbung zu übersenden. Die Folge war eine weitere streitgegenständliche Werbe-E-Mail – die gleiche wie oben aufgezeigt. Ein paar Tage später (der Kläger hatte immer noch keine tatsächliche Antwort erhalten) wandte er sich erneut an die Beklagte um bat abermals um die Erledigung der Angelegenheiten (Kündigungsbestätigung sowie Erklärung für den Erhalt von Werbung). Eine Antwort erhielt er immer noch nicht. Stattdessen folgte noch eine weitere E-Mail mit werbendem Charakter. Natürlich wieder dieselbe wie oben.
Der Kläger entschied sich darauf hin, die Versicherung durch uns abmahnen zu lassen. Vorab versandten wir unsere Abmahnung ebenso per E-Mail. Die Folge mag man sich ausdenken: eine weitere Werbe-E-Mail, diesmal direkt an unsere Kanzlei. Kurz vor Fristablauf erklärte die Versicherung dann, dass sie ihr Verhalten als völlig rechtskonform einstufe und sie daher keine Unterlassungserklärung abgeben werde und auch die entstandenen Abmahnkosten nicht tragen werde. Begründet hat das die Beklagte damit, dass ein Eingriff in das allgemeine Persönlihkeitsrecht des Klägers mit den E-Mails nicht vorliege. Außerdem habe es der Kläger selbst in der Hand, ob er sich nochmals per E-Mail an sie wende oder nicht. Er könne damit die Werbemails jederzeit selbst stoppen, da es sich ja „nur“ um Autoreplys handle. Unser Mandant entschied sich dafür, die Sache gerichtlich klären zu lassen.
Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt hat nun das Urteil in der Sache gefällt (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 v. 25.04.2014). Wir stellen die wichtigsten Punkte dazu zusammen:
- Eine Privatperson hat regelmäßig Anspruch auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB, da § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB neben dem Eigentum auch alle anderen absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB schützt. In den Schutzbereich fällt damit auch das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die ohne vorherige Aufforderung seitens des E-Mail-Adressaten getätigte Zusendung von E-Mails zu geschäftlichen Zwecken, stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von diesen E-Mails Betroffenen dar. Derartige Kontaktaufnahmen beeinträchtigen nämlich regelmäßig die Lebensführung des Betroffenen. Der Betroffene muss sich mit den Mitteilungen auseinandersetzen. Er muss sie sichten und aussortieren. Für ihn entsteht damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.
- Auch elektronische Werbung in Form einer automatisierten Eingangsbestätigung (Autoreply) fällt unter dieses Verbot. Auch dann, wenn sich Werbung lediglich im Abspann der Mail befindet und zuvor der Eingang einer E-Mail bestätigt wird. Ausreichend für einen Verstoß ist bereits der Versuch, ein Produkt oder Leistungen zu bewerben. Auch dann, wenn sich der Kläger damit schlussendlich als erstes an die Beklagte gewandt hat.
- Die Zusendung einer Werbemail rechtfertigt regelmäßig die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergibt sich aus der Erstbegehung und aus der Ablehnung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
- Allein das Ändern der automatisierten Antwort und das Entfernen der Werbung aus jener reichen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Der Streitwert für das Verfahren (Zusendung von Werbemails an eine Privatperson) wurde mit 5.000 EUR bemessen. Wir selbst hatten nur 1.000 EUR zugrunde gelegt und auch nur daraus die zu erstattenden Kosten berechnet. Unserer Klage wurde voll stattgegeben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beklagte Versicherung hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen und dafür das Landgericht Stuttgart anzurufen.
Den Volltext der Entscheidung gibt es hier zum Download.
Urteil d. AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Az.: 10 C 225/14 vom 25.04.2014
UPDATE (18.02.2015): Das Verfahren wurde mittlerweile in zweiter Instanz entschieden. Es läuft derzeit die Revision.