Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren

 Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 19.03.2013 (Aktenzeichen VI ZR 93/12) über die Zulässigkeit einer Berichterstattung über ein laufendes Verfahren entschieden. Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator tätig. Mit seiner Unterlassungsklage wollte er eine ihn betreffende Online-Berichterstattung während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens verbieten. Während das Landgericht die Beklagte noch antragsgemäß verurteilt hatte, es zu unterlassen, die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben, zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten, und das Oberlandesgericht diese Entscheidung bestätigt hatte, kam der Bundesgerichtshof zu der Überzeugung, dass trotz rechtswidriger Berichterstattung ein Unterlassungsanspruch nicht mehr gegeben sei, da die Wiederholungsgefahr entfallen sei. Der Bundesgerichtshof hat daher die Unterlassungsklage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof kam dabei zu der Überzeugung, dass wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung zwar die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig war, ein Unterlassungsanspruch jedoch gleichwohl nicht mehr besteht, da nach der Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerung zulässig war und mithin die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr entfallen sei.

Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung über die Privatsphäre

Das Landgericht Köln (Urteil vom 01.06.2012, AZ: 28 O 792/11) musste sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit eine Berichterstattung über eine der Privatsphäre zuzuordnende außereheliche Beziehung zulässig ist. Das Gericht kam dabei zu der Überzeugung, dass wenn eine bekannte Persönlichkeit außerhalb ihrer Ehe einen ebenfalls bekannten Künstler in der Öffentlichkeit küsst und streichelt, eine solche Berichterstattung mit Blick darauf zulässig sein kann, dass sich diese Persönlichkeit in der Vergangenheit wiederholt öffentlich auch über an sich der Privat- und Intimsphäre zugehörige Sachverhalte aus ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann geäußert hat und die Berichterstattung bis auf den generellen Umstand des Küssens und Streichelns keine tiefergehenden Details aus der Privatsphäre enthält. 

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass es aus Sicht der bekannten Persönlichkeit betrachtet, negativ sein kann, wenn man sich „ohne Not“ bereits in der Vergangenheit über ähnliche Sachverhalte aus der Privat- und Intimsphäre selbst freiwillig geäußert hat.

Über Minderjährige darf nicht einfach so berichtet werden

Diese Woche hat der EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) darüber entschieden, wann über Minderjährige – die keine Personen des öffentlichen Lebens sind – berichtet werden darf und wann solche Personen besonderen Schutz gegenüber der Presse genießen. Die Richter kommen zu dem Ergebnis, dass über einen Minderjährigen auch dann nicht identifizierend berichtet werden darf, wenn der Sachverhalt von allgemeinem Interesse ist (EGMR: Az.: 1593/06).

Bei derartigen Berichterstattung gilt es ständig, das Persönlichkeitsrecht des Minderjährigen gegen die Pressefreiheit abzuwägen. Eben diese Persönlichkeitsrechte haben die Richter des EGMR diese Woche gestärkt.

Über Minderjährige darf grundsätzlich nicht einfach so identifizierend berichtet werden, auch wenn der Grund der Berichterstattung bzw. das Geschehene dahinter von öffentlichem Interesse ist. Eine Ausnahme gibt es möglicherweise nur dann, wenn es sich bei dem Minderjährigen ohnehin um eine Person der Zeitgeschichte bzw. um eine Person handelt, die gezielt die Öffentlichkeit in der Vergangenheit gesucht hat.

Im vorliegenden Verfahren ging es wohl darum, dass Medien über einen Sorgerechtsstreit berichtet hatten. Dabei veröffentlichten sie auch Fotos, auf denen der Minderjährige mit schmerzverzerrtem Gesicht gezeigt wurde.

Wort- und Bildberichterstattung über Prominente

Immer wieder beschäftigt die monegassische Fürstenfamilie die Gerichte. Im September musste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Beschwerde von zwei Presseverlagen beschäftigen, in denen sich diese gegen verschiedene zivilgerichtliche Urteile wandten, mit denen ihnen Wort- und teils auch Bildberichterstattungen über die Klägerin, nämlich eine Tochter der monegassischen Prinzessin Caroline von Hannover untersagt wurde. Mit Beschluss vom 14.09.2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Verfassungsbeschwerde teilweise erfolgreich ist.

1. Unter welchen Umständen dürfen Medien über Promis berichten

In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.09.2010 (Bundesverfassungsgericht, 1BvR1842/08, 1BvR2538/08, 1BvR6/01) wurde die Frage erörtert, unter welchen Umständen Medien über die monegassische Tochter der Prinzessin Caroline von Hannover berichten dürfen. In Zeitschriften waren über Auftritte der Tochter, unter anderem bei einer AIDS-Gala, berichtet worden. Die Berichterstattung erfolgte dabei unter anderem in einer Kombination von Wort- und Bildberichterstattung. Die Tochter der monegassischen Prinzessin ging gegen diese Berichterstattung vor und klagte beim Landgericht Berlin und beim Kammergericht erfolgreich auf Unterlassung. Die Beschwerde der Presseverlage vor dem Bundesverwaltungsgericht war teilweise erfolgreich. In seiner Entscheidung unterschied das Bundesverfassungsgericht zwischen der Wort- und Bildberichterstattung.

2. Bildberichterstattung

Bei der Frage, ob das Foto einer Person ohne Zustimmung veröffentlicht werden darf, stellte das Bundesverfassungsgericht darauf ab, ob die Abbildung ein zeitgeschichtliches Ereignis gemäß § 23 Abs.1 Nr.1 KUrhG ist. In seiner Entscheidung kam das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, dass die Verurteilung, die Veröffentlichung der auf dem Titelblatt der Zeitschrift abgebildeten Fotografie zu unterlassen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das Gericht führte dabei aus, dass zwar im Bereich der Berichterstattung über Prominente auch die Darstellung von Umständen aus dem Alltagsleben dieses Personenkreises geeignet sein kann, die Veröffentlichung eines Fotos zu rechtfertigen, jedoch nur insoweit, als die Veröffentlichung der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann. Das Verbot zukünftiger Veröffentlichungen von Bildern ist daher zulässig, wenn die Berichterstattung keinen Bezug zu dem auf dem Foto gezeigten Anlass herstellt. Die im Zusammenhang mit einer AIDS-Gala aufgenommenen Bilder der Tochter der Prinzessin dürfen mithin nicht veröffentlicht werden, wenn der Bericht sich nur mit dem Lebenswandel der Adligen befasst.

3. Wortberichterstattung

Die Verfassungsbeschwerden der Presseverlage, die sich gegen die Untersagung der Wortberichterstattung richteten, wurden vom Bundesverfassungsgericht als begründet angesehen. Nach Auffassung des Gerichts fallen die beanstandeten Äußerungen als Werturteil über die Klägerin in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Dieser ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet ihre Grenzen u. a. in den allgemeinen Gesetzen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts haben die in den Vorinstanzen ergangenen Entscheidungen Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt, indem sie diese im Rahmen der gebotenen Abwägung gegenüber Persönlichkeitsbelangen der Klägerin zurücktreten lassen haben. Während die Veröffentlichung eines Personenbildnisses unabhängig davon, in welcher Weise der Betroffene abgebildet wird, eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, gilt dies für einen personenbezogenen Wortbericht nicht in gleicher Weise.

Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 Grundgesetz bietet nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden. Vielmehr bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur in spezifischer Hinsicht Schutz, wobei es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung ankommt. Insoweit schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht frei auch vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre sowie vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden, Äußerungen. Außer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes am gesprochenen Wort bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber keinen Schutz vor personenbezogenen Äußerungen, unabhängig von ihrem Inhalt. Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts lassen die beanstandeten Artikel aber weder eine Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen, noch haben die Vorinstanzen hinreichend begründet, dass die Privatsphäre der Klägerin durch die in den Artikel geäußerten Wertungen betroffen seien. Die Artikel beruhen vielmehr auf Vorgängen aus der Sozialsphäre der Klägerin.

4. Trennung zwischen Wort- und Bildberichterstattung

Mit seiner ausführlichen Begründung, in welcher das Bundesverfassungsgericht zwischen Wort- und Bildberichterstattung unterscheidet, hat es sowohl für die Betroffenen als auch für die Presse deutlich Maßstäbe herausgearbeitet, die als Leitlinien auch in Zukunft für vergleichbare Fälle herangezogen werden können. Insbesondere dürfte mit der Entscheidung im Zusammenhang mit der Bildberichterstattung nunmehr auch klar sein, dass die Abkehr von der Einstufung als absolute oder relative Person der Zeitgeschichte nunmehr vollzogen ist.

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