Strenger Sorgfaltsmaßstab bei Urheberrechtsverletzung

In einem von uns geführten Prozess vor dem Landgericht Stuttgart, bei dem wir eine Musik-Band vertreten haben, musste sich das Landgericht Stuttgart, Az. 17 O 1144/12, damit befassen, welcher Sorgfaltsmaßstab bei Urheberrechtsverletzungen anzulegen ist. 

In dem genannten Fall hat ein Verwerter Musikaufnahmen der Band übernommen und ausgewertet. Es entstand insbesondere Streit darüber, ob der Verwerter hierzu berechtigt war. Der Verwerter hat sich in diesem Zusammenhang auf eine so genannte lückenlose Rechtekette berufen. In dem Urteil hat das Landgericht Stuttgart eine Verletzung der Leistungsschutzrechte gem. §§ 77 Abs. 2 UrhG und 85 Abs. 1 UrhG bejaht und festgestellt, dass für die Fahrlässigkeit bei Urheberrechtsverletzungen ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist.

Nach Auffassung des Landgerichts ist hier eine strenge Prüfungspflicht für den Verwerter zu beachten. Es obliegt ihm, sich lückenlos nach den erforderlichen Rechten zu erkundigen. Keinesfalls darf er sich hinsichtlich des Bestandes oder Umfangs auf die Zusicherung Dritter verlassen, sondern er muss eigenmächtig die Kette der Übertragungen der Rechte überprüfen (BGH GRUR 1988, 375). 

Für Verwerter empfiehlt sich daher regelmäßig eine eigene Überprüfung der Rechtekette vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Rechte tatsächlich vollumfänglich übertragen wurden. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

LG Stuttgart: Haftet Sedo nach Hinweis-Email?

Jüngst hatte der Bundesgerichtshof geurteilt (BGH, Urteil v. 18.11.2010, Az. I ZR 155/09), dass Sedo nur dann für Markenverletzungen ihrer Kunden im Rahmen ihres Domain-Parking-Programms haftet, solange die Betreiber keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Das LG Stuttgart hat dies nun mit einem umgekehrten Urteil bestätigt und Sedo in die Haftung genommen. Denn im vorliegenden Fall schickte der Markeninhaber eine Hinweis-Email an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, 17 O 73/11). Nach Ansicht der zuständigen Kammer reiche das aus, um eine Störerhaftung zu bejahen.

Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart verletzt Sedo zumutbare Prüfpflichten, wenn nach Erlangung positiver Kenntnis bei einer Rechtsverletzung nicht binnen zwei Wochen für Abhilfe gesorgt wird und eine Löschung der Domain erfolgt.

Die Klägerin stellte eine sogenannte Tippfehler-Domain auf der Domain-Parking-Plattform Sedo fest. Sie griff allerdings nicht sofort zur Abmahnung, sondern schickte der Beklagten eine E-Mail an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse. Hierin machte sie Sedo auf die Markenverletzung aufmerksam.

Sedo seinerseits forderte Nachweise an bezüglich der Markeninhaberschaft und verwies auf die Rechtsabteilung sowie eine gesonderte E-Mail-Adresse. Außerdem biete Sedo ein entsprechendes Rights-Protect-Management an, mit dem solche Verstöße einfach gemeldet werden könnten.

Dieser Ansicht wollte das Landgericht Stuttgart in einem aktuellen Urteil nicht folgen. Weder müsse jemand an einem speziell eingerichteten Verfahren teilnehmen, um einen Verstoß zu melden, noch sei es erforderlich, dass die Klägerin Nachweise über ihre Marke vorlegen muss, da diese kurzweilig im Internet nachzurecherchieren seien. Obendrein reiche es aus, wenn einer Abmahnung eine Hinweis-Email, die den Verstoß konkret bezeichnet, vorausgeht wie im gegebenen Fall.

Das LG Stuttgart führte dabei insbesondere zur Störerhaftung aus:

Wie dargelegt, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Da die Beklagte eine allgemeine Prüfpflicht nicht trifft, kommt es darauf an, wann die Beklagte von einer etwaigen Markenverletzung eines ihrer Kunden Kenntnis erlangte, die eine Prüfungs- und ggf. Reaktionspflicht auslöste.

Die insofern erforderliche Kenntnis wurde durch Übersendung der E-Mail vom 12.04.2010 geschaffen. Nach Auffassung der Kammer waren die Empfänger der Mail Angestellte bzw. Beauftragte im Sinne dieser Rechtsprechung (…) Die Beklagte war insofern verpflichtet, ihren Betrieb dergestalt zu strukturieren, dass unter dieser Mail-Adresse eingehende Mails ggf. selbstständig an die Rechtsabteilung weitergeleitet werden.

Die Kammer verpflichtete Sedo für die Abmahnkosten einzustehen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es ist zu erwarten, dass Sedo alle Rechtsmittel ausschöpfen wird. Anderenfalls müsste die Domain-Parking-Plattform künftig sehr genau jede einzelne eingehende E-Mail auf mögliche Kenntniserlangung überprüfen und das extra dafür eingerichtete System wäre hinfällig.

Update: Sedo hat mittlerweile Berufung eingelegt gegen die Entscheidung des LG Stuttgart, weshalb sich nun das OLG Stuttgart der Sache anzunehmen hat. (08.08.2011)

Update 2 (23.04.2012): Mittlerweile hat das OLG Stuttgart entschieden und die Sache im Wesentlichen bestätigt.

Zum Urteil im Volltext…