BGH zu den Anforderungen an einen haftungsbegründenden Ersthinweis

Weist ein Rechteinhaber einen Betreiber eines Onlineportals auf eine konkrete Verletzung seiner Rechte durch einen Dritten hin, trifft den Betreiber als mittelbaren Störer die mit einem Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Der BGH hat sich nun jüngst auch dazu geäußert, wie konkret der Hinweis sein muss und welche Anforderungen an solch einen haftungsbegründenden Ersthinweis (haftungsbegründende Erstbabmahnung) zu stellen sind (BGH, 17.08.2011 – I ZR 57/09).

Das Problem ist bekannt: Rechteinhaber können Diensteanbieter zur Durchsetzung ihrer Ansprüche in der Regel nicht direkt angehen, da der Diensteanbieter die Rechtsverletzung nicht selbst begangen hat. Zudem haftet jener weder als Täter / Teilnehmer noch als Störer. Anders verhält es sich, wenn der Anbieter über den Rechtsverstoß in Kenntnis gesetzt wird mittels eines haftungsbegründenden Ersthinweises. Ab dem Zeitpunkt der positiven Kenntnis, kann der Anbieter als Störer in die Haftung genommen werden. Das LG Stuttgart entschied erst kürzlich dazu in einem Verfahren um die Domain-Parking-Börse Sedo (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, Az. 17 O 73/11).

Dies setzt voraus, dass der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Diensteanbieter des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – feststellen kann. Das Ausmaß des vom Betreiber zu verlangenden Prüfungsaufwands hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab.

Solche Ersthinweise sind in der Regel nicht erstattungsfähig. Das heißt, dass Anwaltsgebühren, die einem Rechteinhaber für die Inkenntnissetzung entstehen, nicht zurückverlangt werden können. Erst wenn der Empfänger nicht reagiert und die Störung auch nicht abstellt, macht sich ein Betreiber eines Onlineportals schadenersatzpflichtig hinsichtlich der Abmahngebühren. Schon deshalb dürfen die Voraussetzungen für solch ein Hinweisschreiben m.E. nicht zu hoch angesiedelt werden.

Der BGH hat sich nun dazu geäußert. Und als Fazit ist festzuhalten:

  1. Wird ein Diensteanbieter auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen, so hat er danach zu schauen, dass solche Verletzungen in der Zukunft unterbleiben.
  2. Der Hinweis muss konkret sein. Der Adressat muss den Rechtsverstoß unschwer erkennen können.
  3. Ein Rechtenachweis (hier Markenurkunde) ist regelmäßig nicht vorzulegen, es sei denn der Diensteanbieter äußert konkrete und berechtigte Zweifel an der Existenz des Rechts.

LG Stuttgart: Haftet Sedo nach Hinweis-Email?

Jüngst hatte der Bundesgerichtshof geurteilt (BGH, Urteil v. 18.11.2010, Az. I ZR 155/09), dass Sedo nur dann für Markenverletzungen ihrer Kunden im Rahmen ihres Domain-Parking-Programms haftet, solange die Betreiber keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Das LG Stuttgart hat dies nun mit einem umgekehrten Urteil bestätigt und Sedo in die Haftung genommen. Denn im vorliegenden Fall schickte der Markeninhaber eine Hinweis-Email an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse (LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2011, 17 O 73/11). Nach Ansicht der zuständigen Kammer reiche das aus, um eine Störerhaftung zu bejahen.

Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart verletzt Sedo zumutbare Prüfpflichten, wenn nach Erlangung positiver Kenntnis bei einer Rechtsverletzung nicht binnen zwei Wochen für Abhilfe gesorgt wird und eine Löschung der Domain erfolgt.

Die Klägerin stellte eine sogenannte Tippfehler-Domain auf der Domain-Parking-Plattform Sedo fest. Sie griff allerdings nicht sofort zur Abmahnung, sondern schickte der Beklagten eine E-Mail an die im Impressum benannte E-Mail-Adresse. Hierin machte sie Sedo auf die Markenverletzung aufmerksam.

Sedo seinerseits forderte Nachweise an bezüglich der Markeninhaberschaft und verwies auf die Rechtsabteilung sowie eine gesonderte E-Mail-Adresse. Außerdem biete Sedo ein entsprechendes Rights-Protect-Management an, mit dem solche Verstöße einfach gemeldet werden könnten.

Dieser Ansicht wollte das Landgericht Stuttgart in einem aktuellen Urteil nicht folgen. Weder müsse jemand an einem speziell eingerichteten Verfahren teilnehmen, um einen Verstoß zu melden, noch sei es erforderlich, dass die Klägerin Nachweise über ihre Marke vorlegen muss, da diese kurzweilig im Internet nachzurecherchieren seien. Obendrein reiche es aus, wenn einer Abmahnung eine Hinweis-Email, die den Verstoß konkret bezeichnet, vorausgeht wie im gegebenen Fall.

Das LG Stuttgart führte dabei insbesondere zur Störerhaftung aus:

Wie dargelegt, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Da die Beklagte eine allgemeine Prüfpflicht nicht trifft, kommt es darauf an, wann die Beklagte von einer etwaigen Markenverletzung eines ihrer Kunden Kenntnis erlangte, die eine Prüfungs- und ggf. Reaktionspflicht auslöste.

Die insofern erforderliche Kenntnis wurde durch Übersendung der E-Mail vom 12.04.2010 geschaffen. Nach Auffassung der Kammer waren die Empfänger der Mail Angestellte bzw. Beauftragte im Sinne dieser Rechtsprechung (…) Die Beklagte war insofern verpflichtet, ihren Betrieb dergestalt zu strukturieren, dass unter dieser Mail-Adresse eingehende Mails ggf. selbstständig an die Rechtsabteilung weitergeleitet werden.

Die Kammer verpflichtete Sedo für die Abmahnkosten einzustehen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es ist zu erwarten, dass Sedo alle Rechtsmittel ausschöpfen wird. Anderenfalls müsste die Domain-Parking-Plattform künftig sehr genau jede einzelne eingehende E-Mail auf mögliche Kenntniserlangung überprüfen und das extra dafür eingerichtete System wäre hinfällig.

Update: Sedo hat mittlerweile Berufung eingelegt gegen die Entscheidung des LG Stuttgart, weshalb sich nun das OLG Stuttgart der Sache anzunehmen hat. (08.08.2011)

Update 2 (23.04.2012): Mittlerweile hat das OLG Stuttgart entschieden und die Sache im Wesentlichen bestätigt.

Zum Urteil im Volltext…