OLG Stuttgart: Keine Einigungsgebühr bei Erledigung der Hauptsache

Das OLG Stuttgart hat in einem von uns vertretenen Fall (OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Februar 2012, Az. 8 W 13/12) noch einmal klar gestellt, dass bei Erledigung der Hauptsache keine Einigungsgebühr fällig wird. Auch keine solche nach Nr. 1003, 1000 VV RVG. Es fehle, so die Richter, an der vertraglichen Vereinbarung.

Aus dem Beschluss:

Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, soweit dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist. Die Einigungsgebühr sollte die frühere Vergleichsgebühr des §§ 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Sie sollte jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren (vgl. BGH NJW-RR 2007, 359 = AGS 2007,57 = JurBüro 2007, 73).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen vertraglichen Einigung. Vielmehr haben die Parteien ihre Erledigungserklärungen „ohne Anerkennung einer Rechtspfficht und ohne jegliches Präjudiz“ bzw. „unter Beibehaltung ihrer Rechtsstandpunkte“ abgegeben.

Die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache stellt jedoch eine bloße Prozesshandlung dar. Selbst wenn beide Parteien eine solche Erklärung übereinstimmend abgeben, wird dadurch lediglich die Rechtshängigkeit des bisher streitigen Anspruchs beendet. Damit geben die Parteien allein zu erkennen, dass sie an einer Sachentscheidung durch das Gericht nicht mehr interessiert sind. Nur wenn die Parteien darüber hinaus eine materiell-rechtliche Regelung treffen, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen – gegebenenfalls auch durch schlüssiges Verhalten – zu Stande kommt, fällt eine Einigungsgebühr an (OLG Stuttgart FamRZ 2009, 145; OLG Köln JurBüro 2011, 526; MDR 2006, 539; OLG Nürnberg MDR 2011, 455; Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl. Nr. 1000 VV RVG Rn. 27; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl., VV 1000 Rn. 128, jeweils m. W. N.).

Die Einigungsgebühr war deshalb insgesamt abzusetzen.

Der „Fall Facebook“ – weder neu noch ungewöhnlich: Behörden greifen regelmäßig auf Profil-Inhalte zu

Diese Woche war den Medien gleich mehrfach zu entnehmen, dass ein Reutlinger Amtsrichter Geschichte schreiben könnte, indem er ein Facebook-Profil samt E-Mails und Anhänge beschlagnahmen lassen will bzw. selbiges angeordnet hat. Diese Vorgehensweise ist allerdings weder „neu“ noch „einzigartig“ – sondern vielmehr gängige Ermittlungspraxis.

Der Reutlinger Amtsrichter Hamann soll nach Medienberichten in die Geschichte eingehen.  Und zwar deshalb, weil er von Facebook gerne Inhalte eines bestimmten Profils hätte, um die Aussagen eines Beschuldigten, der auf der Anklagebank sitzt, zu überprüfen. Als „Präzedenzfall“ wird die Vorgehensweise in den Medien sogar bereits tituliert.

Möglicherweise wird Facebook von einem deutschen Richter zum ersten Mal mit solch einem Beschluss konfrontiert – das Beschlagnahmen von Profilinhalten oder Kommunikationsverkehr innerhalb sozialer Netzwerke ist allerdings weder neu noch einmalig oder ungewöhnlich. Uns sind zahlreiche Verfahren aus der Vergangenheit bekannt, wo eben genau jene Rechtspraxis Anwendung finden sollte. Eine unserer Mandantinnen ist ein großes deutsches soziales Netzwerk und wird mit derartigen Beschlüssen regelmäßig konfrontiert. So z.B. Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 10.10.2011, Az. 29 Gs 2147/11; Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 21.11.2011, Az. 27 Gs 2269/11 oder auch Amtsgericht Stuttgart, Beschluss v. 01.06.2011, Az. 1125/11 – um nur einige wenige zu nennen. In allen Beschlüssen wurde die Beschlagnahme von Kommunikationsverkehr innerhalb eines Profils angeordnet.

Wie die Vorgehensweise des Reutlinger Richters als „neuartig“ Aufmerksamkeit erzeugen konnte, ist deshalb verwunderlich. Möglicherweise wurde einfach noch nie ausreichend über das Thema gesprochen bzw. informiert.

Das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss v. 16.06.09, Az.: 2 BvR 902/06) sowie der Bundesgerichtshof (vgl. Beschluss v. 24. November 2009, Az.: StB 48/09) haben sich bereits mit der grundsätzlichen Thematik beschäftigt, ob und inwiefern E-Mail-Postfächer beschlagnahmt werden dürfen. Die Entscheidungen dürften in weiten Teilen auch auf soziale Netzwerke übertragbar sein.

Es ist daher zwar stets streng zu prüfen, was herausgegeben werden soll und auf welcher Grundlage das Ganze basiert – das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Vorgehensweise nicht bereits längst bekannt ist und eher die Regel als die Ausnahme.

Dreht es sich nicht um Kommunikationsverkehr bzw. ganze Postfächer, sondern um die Bestandsdaten von Mitgliedern solcher Netzwerke, so beruft sich die ermittelnde Polizei oftmals sogar ohne entsprechenden Beschluss lediglich auf das Telemediengesetz, das in § 14 Abs. 2 TMG vorsieht:

Auf Anordnung der zuständigen Stellen darf der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.

Derartige Anfragen sind dabei sogar längst an der Tagesordnung, wenngleich die oben zitierte Norm viel Raum für Interpretation lässt.

EuGH: Soziale Netzwerke müssen nicht filtern

Ein sehr interessantes Urteil des EuGH wurde vergangene Woche bekannt: Soziale Netzwerke dürfen demnach nicht verpflichtet werden, Filtersysteme einzurichten, um urheberrechtlich geschütztes Material herauszufiltern (Az.: C‑360/10). Sogenannte Blacklists würden den Diensteanbieter zu einer ganz allgemeinen Überwachung verpflichten. Eine solche Überwachung sei hingegen nach Art. 15 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie verboten. Der EuGH wendet sich mit dem Urteil etwas von der ständigen Rechtsprechug des Bundesgerichtshofes ab, der in der Vergangenheit eher dazu tendiert hat, dass Host-Provider kerngleiche Verstöße in der Zukunft verhindern müssen.

Aus der Pressemitteilung des EuGH:

„Fest steht auch, dass die Einführung dieses Filtersystems bedeuten würde, dass der Hosting- Anbieter zum einen unter sämtlichen Dateien, die von den Nutzern seiner Dienste auf seinen Servern gespeichert werden, die Dateien ermittelt, die Werke enthalten können, an denen Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums Rechte zu haben behaupten. Zum anderen müsste der Hosting-Anbieter sodann ermitteln, welche dieser Dateien in unzulässiger Weise gespeichert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, und schließlich müsste er die Zurverfügungstellung von Dateien, die er als unzulässig eingestuft hat, blockieren. Eine solche präventive Überwachung würde eine aktive Beobachtung der von den Nutzern bei dem Betreiber des sozialen Netzwerks gespeicherten Dateien erfordern. Daraus folgt, dass das Filtersystem den Betreiber zu einer allgemeinen Überwachung der bei ihm gespeicherten Informationen verpflichten würde, was nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verboten ist.

Der EuGH weist sodann darauf hin, dass die nationalen Behörden und Gerichte im Rahmen der zum Schutz der Inhaber von Urheberrechten erlassenen Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Urheberrechts und dem Schutz der Grundrechte von Personen, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, sicherzustellen haben (EuGH, GRUR-Int 2012, 153). Im vorliegenden Fall würde die Anordnung, ein Filtersystem einzurichten, jedoch bedeuten, dass im Interesse der Inhaber von Urheberrechten sämtliche der bei dem betreffenden Hosting-Anbieter gespeicherten Informationen oder der größte Teil davon überwacht würden. Diese Überwachung müsste zudem zeitlich unbegrenzt sein, sich auf jede künftige Beeinträchtigung beziehen und nicht nur bestehende Werke schützen, sondern auch Werke, die zum Zeitpunkt der Einrichtung dieses Systems noch nicht geschaffen waren. Deshalb würde eine solche Anordnung zu einer qualifizierten Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit von Netlog führen, da sie Netlog verpflichten würde, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf seine Kosten betriebenes Informatiksystem einzurichten. Darüber hinaus würden sich die Wirkungen dieser Anordnung nicht auf Netlog beschränken, weil das Filtersystem auch Grundrechte der Nutzer seiner Dienste beeinträchtigen kann, und zwar ihre Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen, bei denen es sich um Rechte handelt, die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt sind. Die Anordnung würde nämlich zum einen die Ermittlung, systematische Prüfung und Verarbeitung der Informationen in Bezug auf die auf dem sozialen Netzwerk geschaffenen Profile bedeuten, bei denen es sich um geschützte personenbezogene Daten handelt, da sie grundsätzlich die Identifizierung der Nutzer ermöglichen. Zum anderen könnte die Anordnung die Informationsfreiheit beeinträchtigen, weil die Gefahr bestünde, dass das System nicht hinreichend zwischen unzulässigen und zulässigen Inhalten unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte.

Daher antwortet der EuGH, dass das nationale Gericht, erließe es eine Anordnung, mit der der Hosting-Anbieter zur Einrichtung eines solchen Filtersystems verpflichtet würde, nicht das Erfordernis beachten würde, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht am geistigen Eigentum einerseits und der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen andererseits zu gewährleisten. (EuGH, Urt. v. 16. 2. 2012 – C-360/10).

Verletzung berechtigter Interessen durch Bildnisveröffentlichung

Das Kammergericht Berlin musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Veröffentlichung eines Bildnisses, welches einen Verurteilten zeigt, ohne Unkenntlichmachen des gesamten Kopfes rechtswidrig ist.

Das Kammergericht kam in seiner Entscheidung vom 28.04.2011 (10 U 196/10) zu der Überzeugung, dass die Veröffentlichung des Bildes eines Verurteilten im Zusammenhang mit der Berichterstattung über seine Verurteilung zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen Totschlag in einem minderschweren Fall angesichts der konkreten Umstände ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellt.

Nach Auffassung des Kammergerichts steht jedoch der Veröffentlichung das berechtigte Interesse des Abgebildeten gemäß § 23 Abs. 2 KUG entgegen, wenn er unter anderem als gefährdet gilt und Personenschutz in Anspruch nimmt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bildnachweis: Thorben Wengert/pixelio.de

OLG Schleswig: Kein Schadensersatz nach missglückter Brust-OP

Der Fall an sich ist schnell erzählt: Ein junges Mädchen hat sich im Alter von 18 Jahren die Brüste straffen lassen. Nach der Operation kam es zu einer Wundinfektion und einer Asymmetrie der beiden Brüste. Deshalb verklagte die junge Patientin ihren behandelnden Arzt auf Schadenersatz. Zu Unrecht, wie nun die Richter des OLG Schleswig urteilten. Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz nach einer missglückten Schönheitsoperation, wenn sich „nur“ die Risiken der Operation verwirklicht haben, über die die Frau zuvor aufgeklärt worden ist.

Zusammen mit ihren Eltern erschien die junge Patientin zum Aufklärungsgespräch ihres behandelnden Arztes, der sie über mögliche Risiken bei der Bruststraffungsoperation aufgeklärt hat. Die rechte Brust sollte zudem noch etwas verkleinert werden.

Nach der Operation kam es zu einer Wundinfektion, die erst nach zwei Monaten abheilte. Die Patientin wollte daraufhin das Geld für die Operation zurück und Schmerzensgeld, insgesamt 11.000 Euro.

Vor Gericht wurde ein Gutachter gehört. Der kam zu dem Ergebnis, dass von Seiten des Arztes keine Fehler bei der Operation und bei der anschließenden Wundversorgung gemacht worden seien. Die Richter entschieden daraufhin:

„Der Beklagte hafte weder aufgrund eines Behandlungsfehlers noch aufgrund eines Aufklärungsfehlers. Ein Behandlungsfehler liege nur bei der schuldhaften Verletzung der Regeln der ärztlichen Kunst vor, allein der Misserfolg vermag eine Haftung nicht zu begründen. Ein Behandlungsfehler im Rahmen der Operation liege nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht vor. Die eingetretene Infektion während einer Operation oder eines Klinikaufenthaltes bzw. einer ärztlichen Behandlung falle nicht in den voll beherrschbaren Risikobereich auf Behandlerseite, sofern nicht ein konkreter Hygienemangel nachzuweisen wäre. Die Infektion gehöre zum allgemeinen Operationsrisiko, auf das die Klägerin hingewiesen worden sei.

(OLG Schleswig, Beschl. v. 25. 1. 2012 – 4 U 103/10)

Unzulässigkeit einer perspektivischen Bearbeitung eines auf einem Buchcover abgebildeten Prominenten

In einem vom Landgericht Hamburg zu entscheidenden Fall (Urteil vom 14.10.2011 – 324 O 196/11) musste sich das Gericht mit der Frage befassen, ob eine Veröffentlichung mit perspektivischer Verzerrung zulässig ist.

Der Kläger ist Journalist und ein bekannter Moderator, der Beklagte ein Verlag. Auf dem Titel des Buches war der Kläger abgebildet jedoch perspektivisch verändert. Der Oberkörper des Klägers war so abgebildet, dass er nach unten zum Rumpf hin schmaler wird; die am Ende des Buchs abgebildeten Hände des Klägers sind im Verhältnis zum Körper deutlich kleiner. Jedoch wirkt es so, als habe der Kläger einen nicht zu seinem Körper passenden, übernatürlichen großen Kopf und im Verhältnis zum Kopf gesehen sehr kleine Hände.

Der Kläger begehrte die Unterlassung der Veröffentlichung des Bildnisses und die Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hielt die Klage für zulässig und begründet. Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg erfolgte die Verbreitung des Bildnisses des Klägers ohne dessen Einwilligung. Dem Kläger steht daher ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1, S. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG zu. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Beklagte nicht dargetan, dass der Kläger in die Veröffentlichung seiner Fotografie auf dem Buchcover ausdrücklich eingewilligt hat. Der Beklagte konnte auch nicht von einer konkludenten Einwilligung ausgehen. Dies ergibt sich aus der nachträglichen Bildbearbeitung. Denn davon, dass eine Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses zugleich auch die Veröffentlichung mit perspektivischen Verzerrungen und einer vertikalen Stauchung wie im vorliegenden Fall umfasst, kann nicht ausgegangen werden.

Nach Auffassung des Gerichts ist die Veröffentlichung auch nicht aufgrund von § 23 Abs. 1 KUG ohne Einwilligung rechtmäßig. Denn selbst wenn das Buch über die von dem Kläger moderierte Quizshow, auf dessen Cover das Bild befindlich ist, ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne dieser Vorschrift darstellen mag, werden durch die streitgegenständliche Veröffentlichung berechtigte Interessen des Klägers gemäß § 23 Abs. 2 KUG verletzt. Das Bildnis ist in einer Art und Weise verändert worden, die den Kläger als körperlich fehlgebildet und unproportioniert darstellt, was nicht den Tatsachen entspricht.

Das Urteil ist zu begrüßen. Es zeig klar auf, dass die Einwilligung zu einer Veröffentlichung nicht in jedem Fall auch Bearbeitungsrechte an dem Bildnis mitumfasst.

Bildnachweis: Gerd Altmann/pixelio.de 

 

Streitwert bei Auskunftsklage

Bei Klagen geht es nicht immer mit hohen Streitwerten zur Sache. Gerade bei reinen Auskunftsklagen sehen manche Gerichte den Wert des Interesses nach Auskunft eher gering. Von 300 Euro Streitwert bis 4000 Euro wird alles vertreten.

Ein Mandant möchte von einer Betreiberin einer Internetseite wissen, welche Daten zu seiner Person bei ihr gespeichert sind. Hierzu ist er auch jederzeit berechtigt. Denn, sofern ein solches Unternehmen Daten zu einer Person gespeichert hat, hat diese jederzeit das Recht, gem. §§ 34 Abs. 1 BDSG i.V.m. 13 Abs. 7 TMG Auskunft darüber zu verlangen:

  • welche Daten zu seiner Person bei dem jeweiligen Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen,
  • welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und
  • an welche Personen oder Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden.

Dass im vorliegenden Fall personenbezogene Daten gespeichert sind, ist unstreitig. Unser Mandant hat deshalb solch eine Auskunft zwei Mal schriftlich angefordert – eine Antwort hingegen hat er nicht erhalten.

Es stellt sich die Frage, welcher Streitwert bei einer solchen Auskunftsklage nun anzusetzen ist. Die Gerichte vertreten eher unterschiedliche Auffassungen hierzu. Hier ein kleiner Überblick über die Streitwerte bei derartigen Auskunftsklagen:

  • LG Berlin (16 O 64/09): 300 Euro
  • AG Montabaur (15 C 189/08): 500 Euro
  • AG Düsseldorf (32 C 12779/08): 750 Euro
  • AG Darmstadt (303 C 19/07): 4000 Euro
  • LG Ulm (1 S 89/04): 600 Euro
  • AG München (251 C 14293/07): 300 Euro

Es ist davon auszugehen, dass das Gericht bei einem durchschnittlichen Streitwert von 500 Euro das vereinfachte Verfahren nach § 495a ZPO anordnen wird. Eine mündliche Verhandlung findet dann grundsätzlich erst einmal nicht statt. Es sei denn eine Partei beantragt dies ausdrücklich oder das Gericht hält es doch noch für notwendig. Die Firma jedenfalls, sollte sie unterliegen, wird die Kosten des Rechtsstreits verschmerzen können.

LG Köln: „Winkeladvokat“ ist eine Beleidigung

Die Richter des LG Köln haben entschieden, dass die Bezeichnung „Winkeladvokat“ eine Beleidigung, strafbar nach § 185 StGB, darstellt. Der Beklagte Anwalt wurde dazu verpflichtet, es fortan zu unterlassen, seinen Kollegen derartig zu bezeichnen (LG Köln, Urteil v. 15.11.2011 – Az. 5 O 344/10).

Ursprünglich hatte sich der eine Kollege wohl nur über einen scheinbar wettbewerbswidrigen Internetauftritt geärgert, weshalb er des anderen Kanzleigeschehen als „Winkeladvokatur“ bezeichnete. Daraus wurde allerdings ein nun vom Landgericht Köln entschiedener Prozess, in dem der Beleidigte Recht bekam.

Als „Winkeladvokaten“ muss er sich nicht bezeichnen lassen und kann den Kollegen auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Zudem habe sich der Beklagte auch strafbar gemacht gem. § 185 StGB. Auch wenn dem Begriff des Winkeladvokaten kein eindeutiger Bedeutungsinhalt zukomme, sei er negativ besetzt. Man verstehe darunter eine Person, die nicht in der Lage sei, den Beruf eines Anwalts ordnungsgemäß auszuüben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, kann aber hier im Volltext nachgelesen werden.

OLG Frankfurt verneint fliegenden Gerichtsstand bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 07.02.2011 – Az.: 25 W 41/10) gilt bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet nicht zwangsläufig auch immer der sogenannte fliegende Gerichtsstand, nur weil die Internetseite von überall aus in Deutschland abgerufen werden kann.

Mittlerweile argumentieren viele Gerichte, dass, sobald eine Internetseite von Deutschland aus überall abrufbar ist, auch sämtliche deutschen Gerichte zumindest örtlich für die Sache an sich zuständig sind. In der Frankfurter Region hörte man in der Vergangenheit immer wieder einzelne Gegenstimmen hierzu. In einem aktuellen Urteil erteilen die höchsten Frankfurter Richter dem fliegenden Gerichtsstand nun eine deutliche Abfuhr.

Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet sei nicht zwangsläufig jeder Ort, an dem die beanstandete Seite abrufbar ist, auch automatisch ein Gerichtsstand.

Die Richter wiesen darauf hin, dass ein deutlicher Bezug zu dem Gerichtsort gegeben sein muss. Die Tatsache, dass die Internetseite deutschlandweit abrufbar sei, reiche nicht aus. Die Persönlichkeitsverletzung müsse am Gerichtsstand deutlich zur Kenntnis genommen werden.

Anders sahen das erst kürzlich noch die Hamburger Richter in einem von uns vertretenen Fall. Hier wurde, trotz Rüge, der fliegende Gerichtsstand in einem kerngleichen Fall explizit bejaht.

Tatsachenbehauptung oder Werturteil?

Tatsachenbehauptung oder Werturteil? Immer wieder müssen Gerichte und Anwälte im Rahmen äußerungsrechtlicher Streitigkeiten unterscheiden, ob eine Meinung oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt. Zu den zahlreichen Entscheidungen, die sich mit dieser Abgrenzung befassen kommt nunmehr noch eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg hinzu.

 In dem vom Landgericht Hamburg zu entscheidenden Fall (Az. 324 O 384/10) gab der Antragsgegner einer Tageszeitung ein Interview, welches sowohl in der Printausgabe als auch im Internetangebot veröffentlicht wurde. In dem Interview setzte sich der Antragsgegner unter anderen mit „Skandalen“ in Wien und in Köln auseinander. Unter anderem äußerte er sich wie folgt:

„Vieles, was da in Köln gelaufen ist, ist gar nicht mehr denkbar. Nehmen Sie den früheren Kölner Oberstadtdirektor R. Der hat einen Vertrag für die langjährige Miete der Köln-Arena bzw. des technischen Rathauses unterschrieben, den Stift zur Seite gelegt und ist am nächsten Tag als Geschäftsführer bei E. eingetreten. Also bei der Holding, die mit ihren Immobilienfonds von dieser üppigen Miete lebt.“

Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung. Dieses Begehren wurde vom Antragsgegner abgelehnt. Daraufhin erwirkte der Antragsgegner eine einstweilige Verfügung der Kammer, gegen die sich der Widerspruch des Antragsgegners richtete.

Nach nochmaliger Überprüfung des Begehrens des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht besteht. Maßgeblich ist dabei letztendlich, dass der Antragsteller nicht eine innere Tatsachenbehauptung, sondern eine Bewertung seines Verhaltens angreift, die dem Schutz des Art. 5 Grundgesetz Abs. 1 GG unterfällt.

Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung im Kontext des Interviews um eine zulässige Meinungsäußerung. Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweis zugänglich ist, sich insbesondere nicht dem Kriterium „wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also ein Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab misst (vergleiche BVerfG, NJW 1983 Seite 1415).

Das Landgericht Hamburg kam mithin zu dem Schluss, dass wenn sich jemand unter dem Aspekt „skandalöser“ Ereignisse mit bestimmten Vorgängen befasst, dass dann der Begriff „skandalös“ bereits darauf hindeutet, dass die Darstellung eine Bewertung der geäußerten Vorgänge darstellt, nicht aber einen Eindruck im Sinne eines tatsächlichen Geschehens ausdrücken will.

Letztendlich wird es bei Abgrenzungsfragen in diesem Bereich immer wieder auf den Einzelfall ankommen.

Bildnachweis: Kunstart.net/pixelio.de